Das peinlichste Jahr meines Lebens
erzählte mir alles über seinen Tag in der Schule.
»Was heute passiert ist, errätst du nie«, sagte er und kippte sich die Smarties, die er mir mitgebracht hatte, selbst in den Rachen. »Als die französischen Schwimmer in die Schule kamen, hab ich mich mit einem der Mädchen unterhalten.«
»Ach tatsächlich«, erwiderte ich.
Paul leckte sich die Lippen. »Ja, und sie war echt hinreißend.«
»Was für eine Überraschung«, sagte ich gähnend.
Er schien den Sarkasmus nicht zu bemerken. »Ja, sie war genau wie die französische Freundin, die ich mal hatte. Ich glaube, ich habe ihr auch gefallen. Jedenfalls hat sich herausgestellt, dass wir morgen vor dem Fackelumzug beide zu der Party beim Bürgermeister von Preston gehen.«
Der Fackelumzug. Ich hatte das ganze Wochenende nicht mal daran gedacht. Er fand in zwei Tagen statt. Ich hatte mich so darauf gefreut, Lucy zu beschützen, doch jetzt wusste ich, dass ich auf keinen Fall daran teilnehmen würde. In mir brach etwas entzwei.
»Blödsinn«, sagte ich.
»Was?«, fragte Paul, das Gesicht verzogen wie ein riesiges Kleinkind.
»Was du gerade gesagt hast. Das war ein Haufen Blödsinn. Warum musst du die ganze Zeit lügen? Du hast diesem französischen Mädchen nicht gefallen. Wahrscheinlich existiert sie nicht mal. Du gehst auch nicht zur Party des Bürgermeisters. Du bist voller …«
»Halt die Klappe!«, rief Paul mit gekränkter Miene. »Du weißt überhaupt nichts. Ich gehe wirklich zur Party des Bürgermeisters. Es gibt ein Büfett zu Ehren der Preston-Gilde. Alle wichtigen Leute von Preston sind eingeladen. Ich gehe mit meinem Onkel hin, weil er …«
»… den Wohnwagen erfunden hat? NEIN . DAS . STIMMT . NICHT . Dein Opa war auch nicht der erste Mensch, der Nathan geheißen hat. Du hast keinen Finger mit Eigenleben in einem Brötchen gefunden. Kein französisches Mädchen ist mit dir ausgegangen oder wird es je tun. Deine Mum wäre nicht beinahe von Außerirdischen entführt worden, und du hast auch keinen Ninja gesehen. Du lügst, sobald du den Mund aufmachst, und bringst mich ständig in Schwierigkeiten! Wenn du nicht wegen Ste und Lucy die Klappe so weit aufgerissen hättest, hätte er nicht … dieses grässliche Bild auf meinen Rücken gezeichnet, und ich wäre jetzt keine internationale Hassfigur. Weißt du eigentlich, wie es ist, den ganzen Tag hier drin zu sitzen und sich nicht vor die Tür zu wagen, aus Angst, ein französischer Scharfschütze könnte auf mich warten?«
Paul verzog das Gesicht noch mehr. »Du bist ein Idiot. Kein Scharfschütze interessiert sich für dich. Und ich sollte es wissen. Schließlich ist mein Cousin einer.«
»Lügner.«
»Das stimmt wirklich. Ich habe noch nie gelogen. Zu deiner Information: Das Mädchen gibt’s wirklich, sie findet mich gut, und das werde ich auch beweisen. Morgen Abend beim Fackelumzug. Du wirst schon sehen.«
»Was werde ich sehen?«, fragte ich, doch er war bereits aus meinem Zimmer zur Haustür gestürmt.
Toll. Jetzt hatte ich auch noch meinen einzigen Freund vor den Kopf gestoßen. Ich war am Tiefpunkt angelangt.
Es geht noch tiefer
Als Paul gegangen war, fühlte ich mich so elend, dass ich beschloss, mir ein frühes Abendbrot zuzubereiten und es auf meinem Bett zu essen. Es war Toast mit Spaghettiringen, aber ich bekam nur ein paar Bissen runter. Da ich nichts mehr wollte, beschloss ich, mit dem Teller nach unten zu schleichen, um den Rest in den Abfalleimer zu kippen. Gerade als ich aus dem Zimmer treten wollte, hörte ich unten im Flur Stimmen.
Ich streckte den Kopf um den Türrahmen. Unter dem ekelhaften Porträt von Mum und Dad redete Ste mit Lucy. Sie sah immer noch müde aus, ihr Auge färbte sich allmählich gelb.
Was wollte sie hier? Ich hatte mir das ganze Wochenende um sie Gedanken gemacht. Mein einziger Trost war gewesen, dass sie vielleicht nie mehr mit Ste sprechen würde. Hoffentlich war sie hier, um ihm zu sagen, was für ein Mistkerl er war.
»… und ich habe das ganze Wochenende ununterbrochen geweint. Dad hat an mir rumgemeckert, weil ich den Wettkampf verloren habe. Er wollte wissen, ob ich wegen dir so geknickt bin, und wenn ja, dann wärst du ein toter Mann. Ich musste ihn anlügen und sagen, ich wäre bloß so geknickt, weil ich vom Training und vom Gewinnenwollen gestresst bin, sonst …«, sagte sie, bis ihr die Stimme versagte.
»Baby«, erwiderte Ste, »ich hab’s dir doch gesagt. Der Film ist ungefähr sechs Monate alt. Das war ein
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