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Das Perlenmaedchen

Das Perlenmaedchen

Titel: Das Perlenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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gleichmäßig niederging, lief Tonina zu Chac zurück, kniete sich neben ihn und streckte die Hand aus.
    »Hier ist die Antwort! Chac, wir könnten doch nach Palenque ziehen! Dafür brauchen wir von hier aus nicht mehr als fünfzig Tage. Wir befreien die Göttin, und sie erfüllt uns jeden Wunsch, um den wir sie bitten.«
    Das war mehr als Chac in seiner Verzweiflung ertragen konnte. Er sprang auf. »Warum glaubst du ständig, es gäbe eine Lösung?«, brüllte er sie an. »Warum gibst du niemals auf? Begreifst du denn nicht, dass wir unsere Hoffnungen begraben müssen? Die Götter haben uns verspottet! Tonina, du bist zwar das verbohrteste und uneinsichtigste Geschöpf, das mir je begegnet ist; aber selbst du solltest einsehen, dass irgendwann der Punkt erreicht ist, an dem es keine Hoffnung mehr gibt!«
    Sie erhob sich. »Chac, Hoffnung gibt es immer.«
    Er packte sie bei den Schultern. »Ich lasse sie im Stich, Tonina!«, brach es aus ihm heraus. »Zum zweiten Mal schon! In der Nacht, in der Paluma starb, hatte sie mich vorher gebeten, bei ihr zu bleiben. Aber ich musste mich ja unbedingt auf die Suche nach Balám machen! Wäre ich bei ihr geblieben, wäre sie nicht ermordet worden. Und jetzt versage ich zum zweiten Mal. Nichts weiter als nach Teotihuacán zu ziehen – selbst das habe ich nicht geschafft!«
    Sie hielt ihm den Stein hin. »Die Göttin … «
    »Es gibt keine Göttin!«, schrie er und schleuderte den Stein in Richtung der Bäume.
    »Nein!« Sie wollte dem Stein nachlaufen, aber eine heftige Windbö ließ sie straucheln, und dann brach mit aller Macht das Gewitter los.

40
    Unversehens öffnete der Himmel seine Schleusen. Innerhalb weniger Augenblicke stand das Erdreich unter Wasser. Dächer wurden abgedeckt, Bäume bogen sich.
    Eilends versuchte man, sich in Sicherheit zu bringen, aber das Unwetter nahm an Stärke noch zu, und die baufälligen Hütten boten keinerlei Schutz. Eiskalter Regen peitschte auf nackte Haut, durchdrang Kleidung, ließ Finger und Zehen taub werden. Alles rannte durcheinander, schrie, lud sich Kinder auf, rief nach Angehörigen. Haarlos klemmte sich Einauge und H’meen unter die Arme und hetzte mit ihnen davon. Hütten wurden umgeblasen und weggefegt, Bäume stürzten um, krachend bogen sich Wurzeln hoch. Als der Wolkenbruch noch heftiger wurde und der Sturm abermals an Stärke zulegte, stand fest, dass ein Ausharren auf dieser Seite des Flusses nicht länger möglich war. Alle rannten auf die Brücke zu, die in die verbotene Stadt führte.
    Als Chac und Tonina dort ankamen, blieben sie stehen, damit die, die sich bereits auf der Brücke befanden, sicher zur anderen Seite gelangten. Sie wurden jedoch von Nachdrängenden vorwärtsgeschubst. »Wartet!«, brüllte Chac ihnen durch den prasselnden Regen zu. »Die Brücke trägt nicht so viele auf einmal! Nur jeweils einige! Wir kommen schon noch alle sicher hinüber … «
    Aber er wurde zur Seite gedrängt, und die aufgescheuchte Menge stürmte auf die Brücke.
    Die Seile waren durchnässt und die Planken glitschig. Tonina verlor den Halt, rutschte ab. Chac kniete sich hin, hielt sich mit einer Hand an dem schwankenden Seil fest und zog sie wieder hinauf. Und dann geschah es. Infolge der Überlastung geriet die Brücke ins Schwanken und bäumte sich auf. Männer, Frauen und Kinder stürzten in den reißenden Fluss.
    Chac griff nach Toninas Hand. »Komm schnell!« Gemeinsam rannten sie los, hangelten sich, derweil der Sturm sie hinwegzufegen drohte, unter Todesgefahr an den Seilen vorwärts.
    Auf der anderen Seite angelangt, bahnte sich Chac durch ein Gewirr von Laub und Farnen einen Weg zu einem gemauerten Unterstand. Er hackte die Kletterpflanzen, die wie überall auch dort wucherten, ab und zwängte sich mit Tonina ins Innere. Völlig durchnässt und zitternd sahen sie mit an, wie andere Schutzsuchende versuchten, sich über die Brücke zu retten, die abermals wegen der Überlastung nachgab und weitere ins nasse Grab schickte.
    Der Sturm heulte und tobte unvermindert weiter. Zerstörte Hütten rumpelten vorbei, umgestürzte Bäume wurden davongetragen. Durch die sich entladenden Wassermassen schwoll der Fluss an.
    Das Häuschen, in dem sich die beiden befanden, lag so nahe am Flussufer, dass nach Chacs Einschätzung auch sie von Überschwemmung bedroht waren. Wieder nahm er Tonina bei der Hand und stürzte mit ihr hinaus ins Freie, vorbei an umstürzenden Bäumen und niederprasselnden Ästen. Als eine Orkanbö sie

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