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Das Perlenmaedchen

Das Perlenmaedchen

Titel: Das Perlenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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»Warum glaubst du das?«
    »Wolltest du nicht die Schwesternschaft der Seelen aufsuchen, weil du davon überzeugt bist, dass deine Frau ermordet wurde?«
    »Ermordet?« Er blinzelte. »Ermordet«, wiederholte er. Und dann begriff er. »Tonina, nicht deshalb brauchte ich die Schwesternschaft. Es hängt nicht davon ab, wie jemand stirbt – ob durch Unfall, Krankheit oder an Altersschwäche. Worauf es ankommt ist, vor dem Tod das Bekenntnisgebet zu sprechen. Ob Paluma ermordet wurde oder ob es wirklich ein Unfall war – du hast gesagt, sie ist schnell gestorben. Es blieb ihr somit keine Zeit, das Gebet zu sprechen.«
    Sein markantes Gesicht war abwechselnd vom Mondlicht erhellt und dann wieder von Dunkelheit überschattet. Das Geräusch des kleinen Wasserfalls, der über moosbedeckte Felsen sprudelte, schien anzuschwellen, als Tonina Chacs Worte in sich nachwirken ließ. Sie schaute auf die Oberfläche des Tümpels, auf dem Laub schwamm und in dem sich Mond und Wolken wie aus einer anderen Welt spiegelten. Mit einem Mal ernüchtert, schaute sie zu Chac auf. Was hatte sie angerichtet? »Chac, es tut mir unendlich leid!«
    »Du kannst doch nichts dafür«, erwiderte er und lächelte traurig. »Vielleicht wollten die Götter nicht, dass ich mein Ziel erreiche. Sie verknüpften von Anfang an meinen Weg mit deinem, dann tricksten sie mich durch falsches Kartenlesen aus … «
    »Nicht doch«, unterbrach sie ihn und trat näher an ihn heran. »Das ist es nicht, was mir leid tut. Ich wusste nicht, dass man ein Gebet sprechen muss. Ich nahm an, dass nicht anders als den Inselbewohnern auch den Maya daran gelegen ist, dass, wenn jemand im Sterben liegt, der Tod rasch eintritt. Auf der Perleninsel fürchtet man ein langsames Sterben, weil Sterbende manchmal böse Geister anrufen, und die können sich dann einer Seele bemächtigen. Ich habe dich angelogen, Chac. Weil ich dich trösten wollte. Jetzt erkenne ich, dass ich dir nur Seelenqualen bereitet habe.«
    Seine Brauen schoben sich zusammen. »Angelogen?«
    »Paluma war nicht sofort tot. Das sagte ich nur, um dich zu beruhigen. Chac«, fügte sie rasch hinzu, »sie hat noch etwas gesagt. Damals verstand ich noch wenig von deiner Sprache, aber ich erinnere mich an die Worte.«
    »Was hat sie gesagt?«, flüsterte er mit angehaltenem Atem.
    »Sie sprach mehrere Worte, aber was ich ganz deutlich verstand, war ›Todesangst‹. Und deshalb wollte ich dir verschweigen, dass sie in ihren letzten Augenblicken von Todesangst erfüllt war.«
    Die Furchen auf seiner Stirn vertieften sich. Tonina sprach von k’iinaam, aber es war fraglich, ob sie Paluma richtig verstanden hatte. »Bist du sicher, dass sie das gesagt hat? Könnte es nicht k’inn gewesen sein – ›Sonne‹?«
    Tonina dachte nach. »Doch«, sagte sie. ›Sonne‹ – k’inn – und ›Todesangst‹ – k’iinaam – ließen sich tatsächlich miteinander verwechseln, schon weil Paluma Schwierigkeiten beim Sprechen gehabt hatte.
    »Könnte sie kiichpan gesagt haben, ›schöne‹?«
    Tonina riss die Augen auf. Wenn sie jetzt, da sie recht gut die Sprache der Maya verstand, an jene schicksalhafte Nacht zurückdachte, musste sie sich eingestehen, dass sie in der Tat Palumas Worte falsch gedeutet haben konnte und die Sterbende statt k’iinaam – Todesangst – k’inn kiichpan gesagt hatte – schöne Sonne.
    »Ja, ich glaube, das hat sie gesagt. Ist das so wichtig?«
    »Tonina, die Worte ›schöne Sonne‹ sind in dem Gebet für das Schuldbekenntnis enthalten!«
    »Guay«, flüsterte sie und schlug sich die Hand vor den Mund. »Wie lange« – zunehmend erregt fuhr er sich mit der Zunge über die Lippen – »wie lange hat sie gesprochen? Einen Moment lang? Nur ganz kurz?«
    »Nein. Sie sprach bereits, als ich auf sie zueilte. Und sprach weiter, als ich niederkniete und ihren Kopf in meinen Schoß bettete. Verstehen konnte ich sie nicht, nur versuchen, sie zu beruhigen. Ich rief um Hilfe, und die ganze Zeit über sprach sie … «
    »Palumas Seele wurde in jener Nacht gerettet!«, rief, nein schrie Chac förmlich heraus. »Und die meines Sohnes auch!«
    »Es tut mir unendlich leid«, sagte Tonina abermals.
    »Leidtun! Nein! Da ist nichts, was dir leidtun sollte, Tonina.«
    »Ich hätte dir die Wahrheit sagen sollen.«
    »Es war meine Schuld. Du wolltest von Paluma sprechen, aber ich ließ es nicht zu.« Er umfasste ihr Gesicht, musterte ihre Wangen, Brauen, Lippen, sehnte sich danach, ihre Haut zu schmecken. »Es ist,

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