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Das Perlenmaedchen

Das Perlenmaedchen

Titel: Das Perlenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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und er sie aufgespürt und ihr deutlich gemacht hatte, wie gefährlich es sei, allein unterwegs zu sein, und sie geantwortet hatte: »Ich bin immer allein gewesen. Ich brauche niemanden.«
    Und jetzt dieser offene und ehrliche Blick, mit dem sie ihn anschaute und ihren Stolz hinunterschluckte, ihre Schwäche eingestand, als sie sagte: »Ich brauche dich.«
    »Ich habe längst beschlossen, dich zu begleiten«, sagte er und wünschte sich, die Menschen auf der Plaza würden samt und sonders verschwinden und er wäre mit Tonina allein auf der Welt, nur sie beide, frei, ihre Liebe einzugestehen und sich in Liebe zu vereinen.
    Sie schloss einen Moment die Augen und seufzte erleichtert auf. Dann lächelte sie. »Ich danke dir«, sagte sie leise. »Ich werde den anderen Bescheid sagen.«

    Ohne das, was sich im Zeittempel ereignet und sein Leben auf immer verwandelt hatte, wäre Balám zu Chac stolziert und hätte großspurig verkündet: »Bruder, wie ich höre, hast du beschlossen, nach Westen zu gehen. Deshalb schlage ich vor, dass wir uns zusammentun, dann sind wir eine wehrhafte Gruppe.« Der neue Balám indes war durchtriebener und ließ nicht erkennen, wie sehr er innerlich feixte. Der frühere Balám hätte sich hämisch gefreut. Der Balám der Götter gab seinen Männern lediglich das Zeichen, zu den Leuten von Chac und Tonina aufzuschließen.
    Und so vollzog sich der Aufbruch aus der alten, verfallenden Stadt Palenque, um sie erneut und für alle Zeiten sich selbst zu überlassen – Hunderte von Männern, Frauen und Kindern, die sich alle ein besseres Leben erhofften. Jetzt waren sie auf dem Weg zu der wundersamen Stadt Aztlán.
    Einauge, der neben H’meen herging, griff nach ihrer Hand, und beide beteten darum, Aztlán und damit das Paradies zu finden, von dem Ixchel gesprochen hatte: ein Land, in dem Alte wieder jung wurden und kleinwüchsige, hässliche Männer groß und schön. Balám schritt zügig aus, in dem Bewusstsein, dass ihn am Ende des Weges Ruhm und die Götter erwarteten. Chac und Tonina führten den Zug an. Zwischen ihnen ging Ixchel, den Blick nach Westen gerichtet.
    An der Weißen Straße angelangt, ließ Ixchel den Quetzal frei. Noch zögerte der Vogel mit dem grün schimmernden Gefieder, und schwebte lange über ihnen, ehe er sich endgültig zum Himmel emporschwang und in den dichten Dschungel entschwand.

VIERTES BUCH

51
    »Wegen Häuptling Türkisrauch sei unbesorgt, Bruder«, sagte Balám. »Meinen Speer dürstet es nach seinem Blut. Meine Männer und ich werden für den Schutz deiner Leute sorgen.« Balám brannte darauf, seinen neuen Plan umzusetzen und diesen grässlichen Chichimeken den Garaus zu machen. Und anfangen würde er mit dem hier ansässigen Stamm, dessen Häuptling unmissverständlich zu verstehen gegeben hatte, dass die Fremden nicht willkommen waren. »Entscheide dich«, setzte Balám ungeduldig nach und musterte das Objekt ihrer beider Neugier: eine mysteriöse Grashütte, die am Strand errichtet worden war.
    Chac war ebenfalls der Meinung, dass sie weiterziehen sollten. Da aber Ixchel auf dem riskanten Aufenthalt in feindlichem Gebiet bestanden hatte, noch dazu, wie sie sagte, aus religiösen Gründen, musste er sich wohl oder übel fügen.
    »Häuptling Türkisrauch hat uns nur widerwillig den Durchzug durch sein Gebiet gestattet«, erinnerte Balám. »Und jetzt sieht er uns hier sitzen, so als wollten wir uns für längere Zeit niederlassen, und betrachtet das als Kampfansage. Er schart seine Krieger um sich, Bruder, und die sind uns zahlenmäßig haushoch überlegen. Wir können nicht gewinnen. Wenn wir jedoch bei Nacht zuschlagen und sie im Schlaf überrumpeln, ist uns der Sieg gewiss.«
    Noch immer unentschlossen, ließ Chac den Blick über den Schauplatz schweifen. Seine Leute hatten ihr Lager am Ufer der Campeche-Bucht aufgeschlagen; auf einer Seite erstreckte sich das glitzernde grüne Meer, auf der anderen Seite eine sanft gewellte, grüne Hügellandschaft und dazwischen ein Sandstrand, dessen tristes Grau von den umgebenden Vulkanen herrührte. Einige Hundert Lagerfeuer erhellten die Bucht. Chacs Leute gingen ihren alltäglichen Beschäftigungen nach, flochten Körbe, spannen Baumwolle, schnitzten Holz, unterhielten sich, lachten, stritten miteinander; Kinder tollten herum, Hunde bellten. Ein buntes Treiben, das Chac einmal mehr an eine Stadt auf Wanderschaft denken ließ. Unter all diesen Menschen befanden sich die Maya mittlerweile in der Minderheit; immer

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