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Das Perlenmaedchen

Das Perlenmaedchen

Titel: Das Perlenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Ixchel angeschlossen. Auch ihrer Tochter hatte man mittlerweile einen höheren Status zuerkannt. Seit Tonina von einem symbolischen Aufenthalt »unter der Erde« – der Grashütte am Strand von Tehuantepec – so verändert und wie seinerzeit ihre Mutter wieder vor ihnen aufgetaucht war, umgab die beiden Frauen eine noch geheimnisvollere Aura. Auch Cheveyo, der Ehemann und Vater, war in diese Verehrung mit einbezogen, weil die, die ihn noch aus Palenque kannten, das Gedenken an den freundlichen und weisen Schamanen hochhielten und gern seiner Spur nach Aztlán folgten. Und da Chac verwandelt und als ein ganz anderer zu Toninas Fest der Erscheinung der Götter auf Erden erschienen war, glaubte das Volk an ein Werk der Götter, dass der Strand und alles, was sich dort befand, von Übernatürlichem berührt worden sei.
    Vielleicht verhielt es sich ja wirklich so. Einauge dachte an die zärtliche Liebe, die sich mittlerweile zwischen ihm und H’meen entwickelt hatte und die nicht von Sinnenlust geprägt war, sondern von nie gekannter liebevoller Fürsorge. Zum ersten Mal dachte Einauge zuerst an das Wohl eines anderen und erst dann an sich selbst. War das etwa kein Wunder?
    Deshalb hütete er sich, die Wahrheit über Toninas Kind zu verbreiten. Dennoch musste Balám für das, was er getan hatte, bestraft werden. Chac würde schon dafür sorgen, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wurde.
    Als er sich sicher sein konnte, dass Tonina außer Sichtweite war, verließ er sein Versteck und eilte Chac hinterher. »Edler Chac! Oder soll ich sagen: Tenoch?«
    Chac wandte sich um. Als er den Zwerg erkannte, lächelte er. Ein trauriges Lächeln, wie Einauge feststellte, als er außer Atem bei ihm anlangte. »Bei den Knochen meines Urgroßvaters, ich freue mich, Euch wiederzusehen, Edler Chac! Ihr gedenkt nicht bei uns zu bleiben?«
    »Ich bin nur gekommen, um … « Chacs Stimme erstarb. Die Vision, die er in der grünen Landschaft suchte, war nicht mehr zu erkennen.
    »Hier. Das ist für Euch«, sagte Einauge und hielt Chac Baláms Beutel aus Rehleder hin.
    »Was ist das?« Ohne sich den kleinen Beutel näher anzuschauen, stopfte Chac ihn in seinen Reisesack.
    In diesem Moment ballte sich alles, was Einauge je bedauert hatte, zu einem einzigen Klumpen zusammen, und er wünschte sich nichts sehnlicher, als sein vorschnelles Handeln rückgängig zu machen. In diesem Augenblick, da ihm bewusst wurde, was Chac durchmachte, fand er es geradezu ungeheuerlich, ihn auch noch mit Baláms Überfall auf Tonina zu belasten. Wie aber sollte er den Beutel zurückerbitten, ohne nähere Begründung und ohne dass Chac misstrauisch wurde?
    »Ich wollte nur sagen, dass ich Euch alles Gute auf Eurem Weg wünsche«, sagte Einauge kläglich. Gleichzeitig schalt er sich einen Feigling, verwünschte den Tag seiner Geburt und den Tag, da er die Idee gehabt hatte, auf dem Marktplatz von Mayapán einem Mädchen, das wie er von einer Insel stammte, einen Beutel mit Perlen zu stehlen.

59
    »Mutter, ich kann nicht ins Tal von Anahuac ziehen.«
    Ixchel ahnte, was sich hinter dieser Weigerung verbarg. »Soviel ich weiß, siedeln dort alle möglichen Stämme. Es ist unwahrscheinlich, dass wir dort Chac begegnen.«
    Tonina wollte dennoch kein Risiko eingehen. Würde Chac es über sich bringen, ihnen aus dem Weg gehen, wenn ihm zu Ohren kam, dass eine große Menschenmenge unter Führung einer Göttin das Tal betrat, um weiter nach Aztlán zu ziehen? »Ich möchte es nicht darauf ankommen lassen. Wir müssen eine andere Route wählen.«
    Wohl oder übel stimmte Ixchel zu.
    Da weder Einauge noch sonst jemand eine Alternative zur gemeinhin benutzten östlichen Handelsstraße kannte, beschloss Tonina, Türkisrauch um Rat zu fragen.
    »Nun«, sagte er, als Tonina ihren Wunsch darlegte, »ich glaube, ich kann dafür sorgen, dass ihr sicher zur großen Handelsstraße gelangt. Und zwar über einen allerdings schwierig zu überwindenden Gebirgspfad, der weiter westlich am Tal von Anahuac vorbeiführt, durch das ihr ja nicht mehr wollt. Lass mich mit dem Anführer einer Karawane sprechen, die kürzlich in der Nähe lagerte.«
    Der Häuptling hatte, kaum dass Tonina mit ihrem Problem herausgerückt war, die Gelegenheit beim Schopf gepackt. Türkisrauch war nicht glücklich. Wie sich die Dinge entwickelten, seit Tonina verkündet hatte, dass sie schwanger sei, schmeckte ihm nicht. Dass das Kind von ihm sei, nahm ihm, wie es schien, keiner ab. Wahrscheinlich lachten sich

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