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Das Perlenmaedchen

Das Perlenmaedchen

Titel: Das Perlenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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seine Männer hinter seinem Rücken ins Fäustchen.
    Die ganze Geschichte war von Anfang an ein Fehler gewesen und hatte sich letztendlich nicht bezahlt gemacht. Die Nacht mit Ixchel war enttäuschend verlaufen. Kalt und abweisend hatte sie unter ihm gelegen und ihm keinerlei Lustgewinn verschafft. Und das Mädchen hatte er auch nicht in sein Lager bekommen, obwohl er doch ihr Ehemann war. Kaum hatten sie ihre Umhänge miteinander verknüpft, hatte die Mutter darauf bestanden, dass die Tochter unter Frauen lebte. Er sah Tonina nur an religiösen Tagen, wenn sie bei feierlichen Anlässen und Festschmausen neben ihm saß – ein Schauspiel, das sowieso keiner ernst nahm.
    Er hatte überlegt, wie er am besten aus dieser Ehe herauskam, und jetzt wartete Tonina selbst mit der Lösung auf. Die Handelskarawane lagerte ganz in der Nähe und wollte zur Küste, in eine Stadt, die den Nahuatl-Namen Acapulco trug, was so viel wie »Ort mit viel Schilfrohr« hieß. Sie umfasste dreihundert Träger, die Pantherfelle mit sich schleppten, Baumwolle aus der Tiefebene, Bernstein aus Chiapás und, was nur der Anführer wusste, Quetzalfedern, mit denen eigentlich kein Handel getrieben werden durfte. »Aber wir ziehen zur Westküste«, sagte er zum Zapoteken-Häuptling. »Nicht nach Norden.«
    »Mir ist egal, wohin du sie führst, Hauptsache, ich werde sie los«, entgegnete Türkisrauch offen. »Ich zahle dir auch ein hübsches Sümmchen, wenn du ihnen weismachst, es ginge nördlich am Tal von Anahuac vorbei. Wann und wo du sie sich selbst überlässt, ist deine Sache.«
    Bevor sie über hochaufragende Berge zur westlichen Route aufbrachen, dankte Tonina Türkisrauch, dass er sie geheiratet hatte, und versprach ihm, dass sie sich, sobald das Kind geboren sei und vor den Göttern und Menschen seine Namen erhalten habe, in aller Form von ihm scheiden lassen werde. Was ihm nur recht war, weil sie dann keinen Anspruch mehr auf seine Besitztümer hätte. Derartige Forderungen hatte sie bis jetzt nicht erhoben, aber er wusste, wie Frauen sich änderten, sobald sie ein Kind hatten.
    Als die von Ixchel, Einauge und H’meen angeführte Menge, die inzwischen größer war als je zuvor, aufbrach und Tonina Chac, den sie niemals wiedersehen würde, ein stilles Lebewohl zurief, beschloss der Anführer der Karawane nach einem Blick auf die Karte, diesen bunt gemischten Haufen an einem Ort abzusetzen, der sich Olinalá nannte. Dort ragten die schneebedeckten Berggipfel bis zum Himmel empor.

FÜNFTES BUCH

60
    Als die Geburtshelferin, eine Tlahuica, die Hände auf Toninas Unterleib legte und weiterhin beharrlich schwieg, stellte sich Ixchel darauf ein, dass es Schwierigkeiten geben würde.
    Sie hatten ihr Lager unweit einer Gebirgsstadt aufgeschlagen, die sich auf Nahuatl Cuauhnáhuac nannte, was soviel wie »Ort am Waldrand« bedeutete (und später einmal zu Cuernavaca abgewandelt werden sollte, weil das leichter über die Lippen ging). Da das Tal von Anahuac lediglich drei Tagemärsche weiter nördlich lag, schweiften Toninas Gedanken zu Chac ab, der besagtes Tal inzwischen erreicht haben durfte. Vor fünf Monaten hatten sie sich voneinander verabschiedet. Ob er sein Volk ausfindig gemacht hatte? Sie betete, dass dem so sei und er endlich sein Glück gefunden habe.
    Sie konzentrierte sich wieder auf die Geburtshelferin, die man aus der Stadt geholt hatte. Dass sich Toninas Verfassung zusehends verschlechterte, lag Ixchels Meinung nach daran, dass die jüngste Etappe ihrer Wanderung sehr anstrengend gewesen war.
    Der Kaufmann, der nach Acapulco unterwegs war und die Gruppe bis zum westlichen Rand des Tals von Anahuac hätte führen sollen, hatte sie in der Hochgebirgsregion von Oaxaca verlassen, kurz vor dem Dorf Olinalá. In Unkenntnis der Strecke und ohne den Schutz der Karawane hatte sich die verunsicherte Gruppe von Olinalá aus nach Norden gewandt und durch bergiges Land und Hochtäler gekämpft, hatte schneebedeckte Gipfel gesehen und des Nachts Bekanntschaft mit klirrender Kälte gemacht.
    Ixchel hatte versucht, die Gruppe zu verkleinern, indem sie Familien gut zusprach, sich in den Städten und Dörfern, durch die sie kamen, niederzulassen. Mädchen und Männern im heiratsfähigen Alter hatte sie geraten, sich dort einen Ehepartner zu suchen. Aber der Ruf, der von Aztlán ausging, war in den Monaten, da sie die östliche Handelsstraße verlassen und die Durchquerung der Gebirgsregion in Angriff genommen hatten, übermächtig geworden.
    Ganz

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