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Das Perlenmaedchen

Das Perlenmaedchen

Titel: Das Perlenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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dem Rock sah man, dass sie fülliger geworden war. Und er stellte fest, dass sie nicht länger den Gürtel aus Kaurischnecken trug. Diese Trophäe war an Häuptling Türkisrauch gegangen.
    »Chac, es tut mir unendlich leid.« Ihre Stimme brach.
    »Ich hätte nicht fortgehen sollen«, sagte er schließlich. »Ich habe mich darauf verlassen, dass Balám euch beschützt.« Die Gedanken wirbelten ihm durch den Kopf. Er war verletzt und wütend und wusste, dass er sich nie mehr von diesem Schlag erholen würde – Tonina von einem anderen Mann geschwängert! –, aber er gab sich selbst die Schuld und schwor sich, sie für das, was sie durchgemacht hatte, zu entschädigen. »Ich bin derjenige, dem es leid tut«, sagte er und streichelte ihre Wange, »dass ich dich alleingelassen und in diese Situation gebracht habe. Und dieser Kerl … « Er konnte nicht ertragen sich vorzustellen, wie Türkisrauch mit Tonina …
    »Nie wieder werde ich dich verlassen. Was immer geschieht, ich werde bei dir sein. Ich weiß, dass du jetzt an das Kind denken musst. Und Türkisrauch wird nicht wollen, dass du dich von ihm scheiden lässt. Schon gar nicht, um einen anderen zu heiraten, der dann sein Kind großzieht.«
    »Chac«, sagte sie leise. »Du musst gehen. Dies hier ist … « Wieder verengte sich ihre Kehle. »Dies hier ist nichts für dich. Du gehörst auf den Chapultepec-Hügel, wo du gewiss die Angehörigen deiner Mutter ausfindig machen wirst.« »Ich will dich nicht verlassen!«, rief er aus.
    Sie stand kurz davor nachzugeben. Sich von Türkisrauch scheiden zu lassen, wäre einfach. Und dann konnten Chac und sie ein Liebespaar werden, konnten heiraten. Aber welches Entsetzen stünde Chac bevor, wenn erst einmal das Kind da war. Ihm zuliebe, um ihm weitere Seelenqualen zu ersparen und ihn vor unheilvollen Rachegedanken zu bewahren, durfte er nicht bei ihr bleiben.
    »Unsere Wege trennen sich«, sagte sie, während Tränen über ihr Gesicht strömten. »Im Frühjahr, nach der Geburt des Kindes, ziehen meine Mutter und ich weiter, nach Aztlán. Du hingegen musst dein Volk ausfindig machen. Geh zum Chapultepec-Hügel. Suche dein Volk, Chac. Und dann kehre zurück nach Mayapán. Vergiss mich.«
    Ein Zittern überlief ihn, sein Gesicht verzerrte sich schmerzvoll. Wie konnte er weggehen? Andererseits: Wie konnte er bleiben, wenn Tonina nachts mit einem anderen Mann das Bett teilte? Wie zusehen, wie sich ihr Leib mit dem Kind eines anderen immer mehr rundete? Wie sollte er ertragen, was er vier Monate zuvor geahnt hatte, als sie aus der Hütte am Strand trat: dass sie für ihn verloren war?
    Der Drang, abermals die Götter zu verfluchen, stieg in ihm auf. Er hob das Gesicht zum Himmel empor, wollte all diese grausamen, wankelmütigen Wesen verdammen, die mit Männern und Frauen spielten.
    Seine Schultern sackten ein. Mit brennenden Augen sah er Tonina ein letztes Mal an. »Er wird dich deine Suche fortsetzen lassen?«, fragte er und meinte damit Türkisrauch.
    »Ja«, hauchte sie. »Eine heilige Suche wird er nicht behindern. Ich glaube, er ist sogar stolz darauf.«
    Chac nahm den Anhänger, den er um den Hals trug, ab und ließ ihn in Toninas Hand fallen. Das Medaillon mit der roten Blume. »Dafür wurdest du geboren«, sagte er mit erstickter Stimme. »Dies war von Anfang an dein tonali. Wie dumm von mir zu glauben, die Götter hätten uns in ganz bestimmter Absicht zusammengebracht. Dabei sind wir nur Figuren in ihrem trickreichen Spiel. Und sie treiben Scherz mit uns.«

    Da Einauge wusste, dass Tonina hin und wieder allein sein wollte, hatte er sich ohne ihr Wissen zu ihrem ganz persönlichen Beschützer ernannt, indem er ihr heimlich in einigem Abstand folgte und dafür sorgte, dass ihr nichts Unangenehmes zustieß. Auch an diesem Morgen war er ihr gefolgt, und so wurde der Zwerg, hinter einem hohen Felsblock verborgen, Zeuge des unerwarteten Zusammentreffens am Wasserlauf.
    Tonina hatte Chac nicht die Wahrheit gesagt. Dabei musste Chac unbedingt erfahren, was sich zugetragen hatte, andernfalls entging dieser Hundesohn von Balám seiner gerechten Strafe. Dass das Kind von Balám war, hatte Einauge niemandem erzählt, nicht einmal H’meen. Schließlich stand zu befürchten, dass die Leute, wenn sie erfuhren, dass ihre geliebte Tonina vergewaltigt worden war, derart in Zorn gerieten, dass sie sich in einen wilden Haufen Rachsüchtiger verwandeln würden.
    Die Reisegruppe war größer geworden, weitere Menschen hatten sich Göttin

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