Das Perlenmaedchen
Wenn wir uns zusammenschließen, sehe ich eine glänzende Zukunft für uns beide voraus.«
»Warum sollte ich Euch vertrauen?«
»Und warum sollte ich Euch vertrauen?«
Cocoxtli entspannte sich. Baláms Gegenfrage schien ihn ebenso zufriedenzustellen wie dessen offenbare Aufrichtigkeit.
Die Verhandlungen zogen sich bis in den Nachmittag und schlossen ein Festmahl mit ein – gebratenes Opossum wurde gereicht, anschließend machten pulque und Zigarren die Runde. Hier wurde etwas ergänzt, dort etwas eingeschränkt, beide Anführer verbuchten Punkte für sich, gaben in anderen Punkten nach, alles wurde von Schreibern peinlich genau festgehalten. Schließlich kamen beide überein, den Pakt auf traditionelle Art zu besiegeln: Familienmitglieder sollten zur Bekräftigung des Friedens ausgetauscht werden.
Nachdem Balám dem Culhua-Häuptling den jüngsten seiner Vettern aus Uxmal übergeben hatte, präsentierte Cocoxtli feierlich eine Prinzessin aus seinem eigenen Hause: ein junges Mädchen mit einem aus so vielen Blumen gefertigten Kopfputz, dass sie vollständig in Blüten eingehüllt war.
»Und jetzt erkennt die Stärke der Maya!« Mit diesem Ruf sprang Balám auf, packte das Mädchen an einem Arm, hob sie hoch und stieß ihr sein Messer in die Brust, wobei er rief, er opfere sie Buluc Chabtan, dem Kriegsgott der Maya.
Er ließ das Mädchen fallen, wartete auf Cocoxtlis Reaktion. Der Mord war geplant gewesen, sollte verdeutlichen, dass Balám keine Angst vor Cocoxtlis Göttern und seiner Armee hatte. Und jetzt gedachte er die Kampfkraft seiner Soldaten unter Beweis zu stellen.
Zu seiner Überraschung sah ihn der Culhua-Häuptling lediglich voller Verachtung an. »Damit hatte ich gerechnet«, sagte er. »Immer wieder Verrat und Betrug! Es gab Gerüchte, dass Ihr vorhattet, das Dreizehnte Spiel absichtlich zu verlieren. Ich hätte viel eingebüßt, wenn Ihr es so weit hättet kommen lassen.« Er deutete auf das Mädchen, das sich auf dem Boden wand. »Meint Ihr, ich würde eine meiner eigenen Töchter einem Schurken wie Euch anvertrauen? Nein. Um Euch eine Freude zu machen, habe ich mir stattdessen erlaubt, Euch eine Maya-Prinzessin zu schenken.«
Balám blinzelte. Eine Maya-Prinzessin? Er blickte zu Boden, wischte dann mit der blutigen Klinge seines Messers die Blüten aus dem Gesicht des Mädchens. Angsterfüllte Augen schauten zu ihm auf. »Taati?«, entrang es sich gurgelnd ihrer Kehle.
»Ich habe einen hohen Preis für sie bezahlt. Auf der Sklavenauktion in Mayapán«, sagte Cocoxtli, »indem ich mich auf das königliche Recht tu’ux-a-kah, zum ›Wohlgefallen der Götter‹ berief, damit mich keiner überbieten konnte.«
Balám erstarrte, jede Ader, jede Sehne, jede Faser seines Körpers wurde zu Stein. »Ziyal?«, hauchte er.
»Man versicherte mir, sie sei eine Tochter des Königshauses von Uxmal. Ich dachte, sie könnte sich hier im Tal von Anahuac als vorteilhaft für mich erweisen, zumal kein anderer Häuptling mit königlichem Blut aufwarten kann. Aber wie man sieht, hat sich der Aufwand nicht gelohnt.« Er spuckte auf die Erde. »Unser Bündnis ist null und nichtig.«
Bereits zum Gehen gewandt, warf er Balám, der bei dem toten Kind kniete, noch einen vernichtenden Blick zu. »Euer Opfer für Euren Gott war vergebens. Das Mädchen war nicht einmal mehr jungfräulich.«
Rasend vor Wut sprang Balám plötzlich auf und rannte mit lautem Gebrüll und Schaum vor dem Mund Cocoxtli hinterher. Seine Vettern stürzten sich auf ihn, bemühten sich nach Kräften, den Wahnsinnigen zurückzuhalten. »Zettle jetzt bloß keinen Krieg an«, warnten sie den Tobenden, dessen Gesicht vor Zorn und Schmerz glühte. »Wir müssen schleunigst weg.« Für sie bestand kein Zweifel, dass der Culhua-Häuptling mit seinen Soldaten zurückkommen würde.
Ohne auf die Männer, die ihn festhielten, zu hören, riss Balám sich los und eilte zurück zu Ziyal, schloss ihren leblosen Körper in die Arme. Weinend und klagend wiegte er sie hin und her, und seine Schreie, die durch das Tal gellten, trieben selbst dem Abgebrühtesten die Tränen in die Augen.
»Komm zurück zu mir, mein Schatz!«, wimmerte er. »Verlass mich nicht!«
Er legte die Hand auf ihren Leib, dorthin, wo sein Messer sie durchbohrt hatte. Die Stelle war feucht. Er hielt sich die blutbesudelten Finger ans Gesicht, roch daran, leckte sie ab, schmeckte das Salzige und Herbe der Lebenskraft seiner Tochter. Er drückte den Mund auf die Wunde, aus der Blut rann
Weitere Kostenlose Bücher