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Das Perlenmaedchen

Das Perlenmaedchen

Titel: Das Perlenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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kommen. War es bereits da?
    Seit drei Monaten hielt er sich nun schon im Tal von Anahuac auf, ohne auf sein Volk gestoßen zu sein. Irgendetwas, was mit Frühjahr und Toninas Kind zu tun hatte, zerrte an seinen Gedanken. Als er versuchte, dahinterzukommen, tauchten die beiden Wachposten wieder auf. Ihren Gesichtern war zu entnehmen, dass es für Chac nicht zum Besten stand. Hoffentlich gelang es ihm, sich doch noch mit ihnen zu verständigen.
    Zweimal hatte er kurz vor einer Begegnung mit seinem Stamm gestanden, hatte ihn nur um wenige Tage verfehlt. Die Mexica, wie sie sich nannten, wechselten ständig ihren Aufenthaltsort, weil sie so viele Feinde hatten. Und jetzt hieß es, sie würden möglicherweise ein für alle Mal das Tal von Anahuac verlassen und sich auf die Suche nach noch unerschlossenem Land begeben. Dennoch hatte Chac sie zu guter Letzt aufgespürt, und er brannte darauf, vor den Häuptling Martok zu treten und ihn seiner Stammestreue zu versichern.
    Das Lager westlich des Chapultepec-Hügels wurde aus Angst vor feindlichen Spähern derart scharf bewacht, dass man Chac gewarnt hatte, seine Chancen, sich durch Bestechung Zugang zu verschaffen oder getötet zu werden, seien gleich groß. Er baute auf erfolgreiche Bestechung, obwohl er nichts Wertvolles anzubieten hatte. In den fünf Monaten, die seit seiner letzten Begegnung mit Tonina vergangen waren, hatte er sich nach und nach von seinen Besitztümern trennen müssen, auch von seinem farbenprächtigen Umhang und dem Lendenschurz, sodass er sich nun mit dem schlichten weißen Gewand eines Bauern begnügte.
    Nachdem er Tonina am Wasserlauf zurückgelassen hatte, war er entlang der östlichen Handelsroute nach Norden gezogen. Zuerst hatte er einen Platz in einer großen Karawane ergattert, die Seetang und Muscheln in die östlich gelegene Stadt Tlaxcala brachte. Dort hatte er sich einer Pilgergruppe angeschlossen, die zum Berg Tlaloc hinaufzog, um dort ein Fest zu Ehren des Regengottes abzuhalten.
    Vor drei Monaten dann hatte er den Gebirgspass zwischen den Gipfeln des Popocatépetl und Iztaccíhuatl erreicht und auf das rauchverhangene weitläufige Tal geblickt, das sich vor ihm ausbreitete. Ansiedlungen und Städte schmiegten sich um das Ufer des Sees; im Tal, dessen Grün durchzogen war von Bauernhöfen und Feldern, auf denen Bohnen, Mais und Baumwolle angebaut wurden, wuchsen Akazien, Eichen, Lorbeer und Zypressen.
    Als er aus der Küstenebene zu einem so hoch gelegenen Plateau gelangt war, dass er gemeint hatte, den Himmel berühren zu können, hatte er, schon um nach Luft zu schnappen, Halt gemacht. Sobald der Wind drehte, hatte er den beißenden Schwefelgeruch eingeatmet, den die schlanke Rauchspirale aus dem schneebedeckten Krater des nahen Popocatépetl verströmte.
    Er war dem Pfad bergab gefolgt und hatte sich geradewegs zum Hügel von Chapultepec begeben. Aber dort musste er erfahren, dass der Häuptling von Culhuacán, der wie ein Geier über die Frischwasserquellen des Hügels wachte, den Stamm, der einst auf dem bewaldeten Berg am westlichen Ufer des Texcoco-Sees lebte, vertrieben hatte. Und da diese Mexica Nomaden waren, wusste man nie genau, wo sie sich wann aufhielten.
    Somit war Chac ständig auf den vielen Pfaden und staubigen Straßen, die das Tal wie ein Spinnennetz durchzogen, herumgeirrt, hatte nach Schlafplätzen Ausschau gehalten, Kakaobohnen gegen Tortillas eingetauscht, sich nie lange an einem Ort aufgehalten und immer wieder nach dem Volk gefragt, das einst auf dem Chapultepec-Hügel gelebt hatte.
    Er stellte fest, dass der Texcoco-See die Form einer Blume mit drei Blütenblättern aufwies: drei durch schmale Rinnen miteinander verbundene große wiewohl seichte Wasserflächen. Der kleinste, am südlichsten gelegene See, Xochimilco, wurde vom Schmelzwasser aus den Bergen gespeist, führte also Süßwasser. Der nördliche See grenzte an Land, das reich an Mineralien war, die auch den See durchsetzten, ihn salzhaltig machten und rötlich färbten. Der mittlere und größte See, der Texcoco-See, war eher ein Sumpfgebiet aus Schlamm und Lachen und Seegras, zum Schwimmen nicht tief genug und so brackig, dass die, die an seinem Ufer wohnten, das Wasser aus den Süßwasserquellen des Chapultepec-Hügels vorzogen.
    Um diesen See herum lebte ein lockerer Verbund von Stämmen, die alles andere als friedlich gesonnen waren. Jedes Dorf hatte seine eigenen Richter, erließ seine eigenen Gesetze, urteilte nach eigenem Gutdünken. Bestechung

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