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Das Perlenmaedchen

Das Perlenmaedchen

Titel: Das Perlenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Speeren bewaffnete Wachposten bahnten einen Weg für eine kleine Prozession. Als bekannt wurde, wer da zu erwarten war, sprang alles auf und eilte näher.
    Einauge und seine Begleiter konnten von ihrem Lagerplatz aus gut beobachten, wie die Prozession auf das Haupttor zuhielt. Und jetzt sahen sie auch einen stämmigen Mann in prächtigen Kleidern einherstolzieren. Was von seiner Haut zu sehen war, war leuchtend rot bemalt, und der Kopfputz, den er trug, so hoch, dass er schier vornüber zu kippen drohte. So etwas hatte Tonina noch nie zu Gesicht bekommen. Blütenblätter wurden auf seinen Weg gestreut, Mütter streckten ihm ihre Babys entgegen, damit er sie segnete, man drängte und schubste sich gegenseitig, um seinen Schatten zu berühren, ungeachtet der Wachposten, die den Ansturm mit Peitschenhieben zurückzuhalten versuchten. Der prächtig gekleidete Mann wirkte arrogant; statt die Menschenmenge zu würdigen, die ihn voller Verehrung umringte, sah er über sie hinweg.
    »Das ist Balám«, erklärte Einauge.
    »Ist er hier der König?«
    Einauge prustete. »Er ist noch weitaus bedeutender.«
    »Ein heiliger Mann?«
    »Noch bedeutender.«
    Sie blickte ihn verdutzt an. »Wem kommt denn mehr Bedeutung zu als einem König oder einem heiligen Mann?«
    Einauge lutschte an einem Zahn herum. »Einem Ballspieler.«
    Ihr Gesicht drückte Unverständnis aus. »Was ist das, ein Ballspieler?«
    Dieses Mädchen kam wirklich von einer rückständigen Insel! Selbst das schäbigste Dorf verfügte über einen Ballspielplatz und eine Mannschaft. »Er nimmt an einem Spiel teil, bei dem ein Gummiball verwendet wird, er heißt Prinz Balám und ist der Anführer seiner Mannschaft. Er ist von königlichem Geblüt. Sein Onkel ist der König von Uxmal. Um den Frieden zu erhalten, tauschen die Herrscher dieser Städte untereinander Familienmitglieder aus, weshalb der Sohn des Königs von Mayapán in Uxmal lebt.«
    Aber Tonina hörte gar nicht mehr zu. Ihre Aufmerksamkeit richtete sich auf den zweiten Mann, der aus der Menschenmenge herausragte und zu seinem nicht minder königlichen Gewand einen sagenhaften, mit prächtigen Federn geschmückten Kopfputz trug. »Ist das auch ein Prinz?«, fragte sie ehrfürchtig.
    »Chac? Nein. Er ist bürgerlicher Abstammung.«
    »Aber ein Ballspieler?«
    »Sogar ein besserer als Prinz Balám. Deshalb ist er gewissermaßen angesehener, trotz seines schlechten Bluts.«
    »Schlechten Bluts?«
    »Er gehört einem minderwertigen Volk an, den Chichimeken, was so viel wie ›die Wilden‹ bedeutet. Ein verstreutes Völkchen von widerspenstigen, unzivilisierten Herumtreibern. Normalerweise würde er als Sklave oder Diener arbeiten und wegen seiner niederen Herkunft verachtet werden, aber wegen der Geschicklichkeit, die er beim Ballspielen unter Beweis stellt, wird er vom Volk als Held verehrt. Wenn ein Mann Punkte sammelt, vergessen die Leute, wes Bluts er ist.«
    »Ein Chichimeke«, wiederholte Tonina leise, ohne den Blick von ihm wenden zu können. Größer als Prinz Balám, zog Chac der Bürgerliche in aufrechter Haltung mit ausholenden stolzen Schritten vorbei.
    »In dieser Gegend trifft man nicht viele seiner Abstammung«, sagte Einauge. »Sie streifen durch die weit entfernten Hochtäler im Nordwesten. Unwissende, ungeschickte Krieger. Bezeichnen sich je nachdem als Mexica, Mixteken, Zapoteken, so als bedeuteten diese Namen irgendwas. Barbaren sind sie allesamt, mehr nicht. Wie manch andere dieses minderwertigen Volks kamen Chacs Eltern nach Mayapán, weil sie sich bei den Maya ein besseres Leben erhofften. Seine Mutter arbeitet noch immer in den Palastküchen. Sein Vater ist beim Baumfällen ums Leben gekommen. Chac hat immerhin eine Maya zur Frau, ihm gehört eine Villa in der Stadt, und wie du siehst, kleidet und benimmt er sich wie ein Maya. Dass er seine Abstammung verleugnet, ist nur verständlich.«
    Wie erstaunlich, seine Abstammung zu verleugnen, befand Tonina. Wo sie sich doch selbst nichts sehnlicher wünschte, als die kennenzulernen, die sie in einem Korb auf dem Meer ausgesetzt hatten.
    »Leider«, fuhr Einauge fort, »kann er sein Äußeres nicht verändern. Da mag sich einer noch so erlesen kleiden, in der Sprache der Maya reden, sogar eine Maya zur Frau haben – sein Gesicht wird immer sein Gesicht bleiben.«
    »Was stimmt denn mit seinem Gesicht nicht?« Für Tonina war Chac ein gut aussehender Mann, und das sagte sie auch.
    Einauge zeigte sich verdutzt. Chac und gut aussehend! Chac, der

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