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Das Perlenmaedchen

Das Perlenmaedchen

Titel: Das Perlenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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verrühren. Diesen Brei verstreichen sie dann. Das Ergebnis nennt man Zement. Damit halten sie auch ihre Bauten zusammen. Aufgehäufte Steine und dazwischen Zementmörtel. Wie sollte deiner Meinung nach diese Pyramide da sonst stehen bleiben?« Sein fettiger Daumen deutete in Richtung der hohen Mauer, die die innere Stadt umgab.
    Tonina blinzelte. Im Schein der Fackel sah sie durch den Rauch hindurch ein eindrucksvolles Bauwerk, das sich jenseits der Mauer erhob. »Solch einen Berg haben wir unterwegs auch gesehen«, sagte sie. »Wir sind bis nach oben hinauf geklettert und konnten Wald sehen, der sich bis ans Ende der Welt erstreckte. Unweit davon war ein Podest, das aus Schädeln errichtet war. Und zwischen zwei schrägen Wänden ein weites Feld.«
    Einauge nickte. »Das ist die Stadt der Wasserzauberer, von den Maya Chichén Itzá genannt. War früher mal eine blühende Stadt, ist aber jetzt verwaist. Das heißt, sie nutzen sie nur noch als einen Ort der Zusammenkunft für religiöse Zeremonien. An Feiertagen veranstalten sie dort Feste. Richten sich genau nach ihrem Kalender, die Maya. An jedem Tag muss etwas Bestimmtes gefeiert werden. Aber ein Berg ist das nicht. Man sagt dazu Pyramide. Oben steht ein Tempel, der Kukulcan geweiht ist, einem ihrer Götter.«
    Er reichte jedem einen Maiskolben, der freudig entgegengenommen wurde. Vor dem ersten Bissen kratzte Tonina noch rasch ein paar heiße Kerne heraus und warf sie als Opfergabe für die Götter ins Feuer.
    »Was ist mit deinem Auge passiert?«, fragte sie.
    »Mit welchem?«
    Sie errötete vor Verlegenheit.
    »Hab’s beim Kampf mit einem Jaguar verloren«, sagte er und tappte an die lederne Klappe über seinem linken Auge. »War schlimm, erwies sich dann aber als Segen. Zwerge gelten als Glücksbringer. Sind überall willkommen. Von Zwergen mit nur einem Auge heißt es außerdem, dass sie sich der Gunst der Götter erfreuen.« Als weiteren Beweis göttlicher Gunst hätte er sein schütteres, allmählich grau werdendes Haar anführen können. Vierzig Jahre Erdendasein, nicht schlecht für einen Zwerg.
    Während des Essens ließ Tonina den Blick über den belebten Marktplatz schweifen, auf dem noch mehr Lager aufgeschlagen wurden und weiterhin Betriebsamkeit herrschte. Als sie im Licht der Fackeln einen Mann mit etwas hantieren sah, das wie die weiße, milchige Flüssigkeit einer Kokosnuss aussah, fragte sie, was der Mann da mache. »Das ist Gummi. Er formt einen Ball«, gab Einauge Auskunft.
    »Gummi?«
    »Der Saft von einem Baum aus der Gegend hier. Die Maya nutzen ihn für alles Mögliche. Sie verehren ihre Gummigötter.«
    »Er stinkt.«
    »Dafür springt er gut«, entgegnete Einauge mit Blick auf den Ball. »Das heißt, wenn er erst einmal richtig hart geworden ist. Wenn man solch einen Ball an den Kopf bekommt, kann man tot sein. So, und jetzt erzähl doch mal, was euch hierher führt.« Ständig mit dem Gedanken beschäftigt, wie er das Mädchen auf möglichst unverfängliche Weise um die Perlen und das durchsichtige Trinkgefäß erleichtern konnte, spielte Einauge den einfühlsamen Gastgeber.
    »Wir sind versehentlich hier. Ich sollte eigentlich in Quatemalán sein, nicht in Yucatán.«
    Er ließ ab, in der Glut herumzustochern. »Hä? Was hast du gesagt? Yucatán?«
    »Liegt diese Stadt hier nicht in Yucatán? Haben wir etwa Yucatán bereits hinter uns gelassen?«
    Er hob die Brauen. »Wieso meint ihr, in Yucatán zu sein?«
    »Eine Frau, der wir an einem Brunnen begegneten, hat auf meine Frage, wie diese Gegend heißt, geantwortet: Yucatán.«
    Der Zwerg lachte laut auf. »Yucatán! In ihrem Dialekt heißt das ›Ich verstehe dich nicht‹!«
    Tonina war verblüfft. Und dann sagte sie sich, dass sie, wenn sie in diesem Land zurechtkommen und ihren Auftrag erfüllen wollte, die Sprache der Einheimischen lernen musste. Sie fragte Einauge, ob er bereit wäre, sie zu unterrichten.
    Er strahlte. Er würde sich den Unterricht in Perlen bezahlen lassen. »Ist allerdings eine vertrackte Sprache«, meinte er. »Zum Beispiel haben die Maya kein Wort für ja, kein Wort für bitte, und ihr danke bedeutet so viel wie ›mögen es dir die Götter entgelten‹.«
    Tonina rümpfte die Nase. »Und wenn die Antwort auf eine Frage ja lautet? Was sagt man dann?«
    »Wenn jemand etwas fragt, und die Antwort ist ein ›Ja‹, dann formuliert man die Frage ins Positive um. Verstehst du, was ich meine?«
    Sie dachte einen Augenblick nach und sagte dann: »Ja, ich verstehe,

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