Das Perlenmaedchen
wagen!«, schrie sie aufgebracht. Und zu Balám gewandt: »Gatte, ich verlange eine Erklärung!«
Noch ehe Balám antworten konnte, tauchte ein Soldat aus der Menge auf, mit der weinenden Ziyal auf dem Arm. »Ist dies das Mädchen?«, fragte er den Mann mit dem Kassenbuch.
»Die Tochter, ja«, murmelte der Kassenwart und hakte mit einem Stück Holzkohle einen Posten in seinem Buch ab.
»Was … «, hob Balám an, während Yaxche nach ihrer Tochter griff. Der Soldat gab das Kind bereitwillig frei, denn gleich darauf wurden Yaxche selbst, ungeachtet ihrer heftigen Gegenwehr, die Handgelenke gefesselt und ein Strick um den Nacken gelegt.
»Nehmt mich an ihrer Stelle«, flehte Balám mit erstickter Stimme den Vertreter der Vereinigung an. Er wusste, was nun drohte. »Lasst ab von meiner Familie. Verkauft stattdessen mich.«
Ausdruckslose Augen musterten ihn. »Sie sind mehr wert.«
»Ich bin nicht dafür verantwortlich, dass wir nicht verloren haben.« Balám bemühte sich, leise zu sprechen. »Ich habe es versucht! Und ich habe Chac überredet, mir zu helfen, das Spiel zu verlieren. Aber … er hat mich im Stich gelassen. Alles ist seine Schuld. Ihr habt doch gesehen, dass ich Punkte für meine Mannschaft verschenkt habe. Ich habe mich an die Abmachung mit Euch gehalten. Chacs Ländereien und seine Besitztümer und seine Frau – die solltet Ihr Euch nehmen!«
»Chac ist ein Ehrenmann«, wurde ihm beschieden. »Wir respektieren, was er getan oder nicht getan hat. Die Verantwortung tragt allein Ihr, Balám.« Absichtlich unterließ er es, »Herr« hinzuzufügen, um Balám zu verdeutlichen, dass er nicht nur seinen Besitz und seine Familie verlor.
Als man sich anschickte, Yaxche und Ziyal wegzubringen, versuchte Balám die beiden zu umarmen. Aber seine Ehefrau spuckte ihm ins Gesicht und wandte sich ab, sodass er nicht einmal mehr an seine geliebte Tochter herankam. Zu guter Letzt warf Yaxche ihm noch einen hasserfüllten Blick zu, in dem keine Vergebung lag, und sagte: »Wenn unsere Tochter alt genug ist, werde ich ihr von dem schändlichen Verhalten ihres Vaters erzählen, auf dass sie, tagtäglich und so lange sie lebt, deinen Namen verflucht.«
Vier Bewaffnete führten Yaxche, die den Kopf stolz hoch hielt, durch die Menge. Der letzte Blick auf seine Familie, der Balám vergönnt war, war der auf Ziyal, die vom Arm ihrer Mutter aus die Hände nach ihm ausstreckte und »Taati!« rief.
Als Sklaven am vorderen Eingang ihren Herrn in Empfang nahmen, eilte ihm auch Paluma zur Begrüßung entgegen. Es war mitten in der Nacht, und Chac wirkte niedergeschlagen.
»Ich habe ihn nicht gefunden«, sagte er und nahm dankbar einen Becher Wasser entgegen. »Überall habe ich gesucht. Balám ist verschwunden.« Chac war übersät mit Kratzern, Schürfwunden und Blutergüssen. Eine Siegesfeier hatte nicht stattgefunden; wie ein Lauffeuer hatte sich verbreitet, was sich im Haus von Balám abspielte.
»Durch meine Schuld«, sagte Chac. »Wenn ich Baláms Bitte nachgekommen wäre, hätte er noch sein Haus und seine Familie.« »Nein, Liebster. Du hast das Richtige getan. Die Spiele sind heilig. Und du bist ein Ehrenmann. Für seine Bereitschaft, einen derartigen Frevel zu begehen, hat Balám seine Seele den Neun Ebenen der Hölle preisgegeben.«
Chac war sich dessen nicht so sicher.
»Du musst morgen seine Frau und seine Tochter kaufen«, sagte sie.
Das hatte auch Chac bereits beschlossen. Egal, wie viel die beiden kosten würden – wenn nötig all ihre Besitztümer und Ländereien –, er würde dafür sorgen, dass Yaxche und Ziyal nicht in der Sklaverei landeten.
18
Die Versteigerung von Sklaven fand normalerweise alle zwanzig Tage statt, am ersten Tag des Monats. Weil das heutige Angebot jedoch aus dem Rahmen des Üblichen fiel, durfte eine Sonderversteigerung abgehalten werden. Nicht nur Yaxche und Ziyal standen zum Verkauf, sondern auch Baláms gesamtes Hauspersonal sowie persönliche Einrichtungsgegenstände. Dementsprechend eifrig wurde um Vasen, Wandteppiche, Statuen und Schmuck gefeilscht, um Dinge eben, die man seit langem begehrte.
Und diese Gegenstände kamen als Erstes an die Reihe, schon weil sich der Auktionator auf Dramatik verstand. Und weil sein Vorgehen sowohl Spannung wie satten Umsatz versprach, hob er sich die Ehefrau und die Tochter bis zum Schluss auf. Chac hatte sich nicht unter die Menge gemischt; er hielt sich unweit der dem Adel vorbehaltenen Stirnseite der Tribüne auf, auf der die
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