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Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Titel: Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Hensel
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sich an Alexia: Tochter eines griechischen Vaters und einer deutschen Mutter. Elite-Internat, fünf Fremdsprachen, Auslandssemester in der halben Welt. Sie würde Deutschland auf diplomatischem Parkett glänzend vertreten. Sie würde es bis Washington schaffen!
    Maria zögerte einen Augenblick, bevor sie den Namen in die Suchmaschine tippte. Sie hatte Angst vor dem Platzen der Seifenblase. Dass sie hereingefallen war, auf Lüge und Hochstapelei.
    Eléni Galánis.
    14.200 Einträge.
    Dr. Eléni Galánis, Immunologin in British Columbia. Eléni Galánis, Buchhalterin in Pittsburgh … Eléni Galánis, Athen. Eine der »jungen, scharfen Stimmen Griechenlands«, wie der New Yorker bewundernd schrieb. 2006–2008 Ressortchefin Politik der Andístasi. Die jüngste Ressortchefin Griechenlands. Sie fand nichts über ihr Alter, kaum biographische Angaben. Klar, die meisten Websites waren auf Griechisch. Eléni war auf eine Privatschule gegangen. Sie hatte zwei Semester in Edinburgh studiert. Sie kam also aus einer wohlhabenden Familie. Es bedeutete, sie hatte Geld. Sie konnte Maria aus der Klemme helfen. Maria fühlte Erleichterung, fast Euphorie. Alles würde sich nun aufklären. Sie hatte auf dem Kommissariat in Heraklion einen Fehler gemacht. Sie hätte auf einem Protokoll ihrer Aussage bestehen müssen. Ebenso auf einer Bestätigung, dass sie auf Bitten, sogar Drängen der griechischen Polizei nach Athen geflogen war. Andererseits: Sie hatte nichts mit dem Schlauchboot zu tun. Nichts mit dem Stahlkoffer. Ein Mann hatte sie um ein Haar ermordet. Wer sollte ihr daraus einen Strick drehen?
    In ihrer Tasche piepte das Handy.
    Kolonáki. Kleoménous 11c. Klingel ohne Namen. Zweimal lang, zweimal kurz. Ab 21 Uhr. Eléni.
    Eine SMS von Eléni. Sie hatte Wort gehalten. Wahrscheinlich eine Party oder ein Abendessen mit Kollegen. Keine Hochstaplerin, keine Seifenblase.
    Eine Peitsche knallte, eine Frau schrie. Der pickelige Junge am Terminal neben Maria lud Pornos auf einen USB-Stick. Er sah schuldbewusst herüber, sie sah tadelnd zurück. Sie schrieb eine Antwort an Jochen:
    Danke für die Glückwünsche. Kannst du mir die Telefonnummer von Alexia schicken? Viele Grüße aus Athen. Maria
    Einige Fragen blieben offen. Wie hatte Eléni erfahren, in welchem Hotel Maria wohnte? Wahrscheinlich von Gerakákis. Möglich, er war genauso korrupt wie Embiríkos und verkaufte vertrauliche Informationen an die Presse. Noch etwas war seltsam: Andístasi schien es nicht mehr zu geben. Und Maria fand im Netz keine Informationen über Eléni Galánis, die aktueller waren als 2009. Schwer zu glauben, dass eine Ressort-Chefin Politik in der Versenkung verschwindet. Wo arbeitete die junge, scharfe Stimme seitdem?
    Hier Alexias Nummer. Können uns ja mal wieder auf einen Kaffee treffen. Bin öfter in Berlin. Lass dich nicht von den Griechen übers Ohr hauen. Jochen
    Mal wieder treffen. Auf einen Kaffee. Dass die erste Liebe der Jugend flüchtig sei, war dummes Geschwätz. Sie war wahrscheinlich die einzige Liebe, die ein Leben lang hielt. Danach kamen nur noch Kompromisse. Keine Ehe schützte, keine drei Kinder. Auch kein CSU-Sitz im Nürnberger Stadtrat.
    Exárchia, das Anarchistenviertel. Auf dem Bordstein drängte Maria sich zwischen Frauen mit Kinderwagen, Yuppies mit Kaffeebechern, afrikanischen Händlern mit schwarzgebrannten DVDs hindurch. Die Hauswände waren vollgeklebt mit Plakaten: Aufrufe zu Demonstrationen und Streiks, viel Che-Guevara-Romantik. Die meisten Plakate waren eingerissen und vergilbt. Aber zwischen ihnen leuchteten neue, größer als die anderen – aggressiv rot, schwarz und gelb. Sie zeigten das Parlamentsgebäude, zertrümmert von Hammer und Sichel. Einen Polizisten, Helm und Schädel geborsten unter Knüppeln. Vermummte Kinder, die eine Kalaschnikow in die Höhe reckten.
    Maria fand einen ruhigen Platz hinter einem ausgebrannten Schulbus und wählte Alexias Nummer. Sie hatte Hunger. Vorhin hatte sie einen Stand gesehen, Pizza für zwei Euro. Die würde sie sich gleich gönnen.
    »Hallo, Alexia. Ich bin’s, Maria Brecht. Du erinnerst dich?«
    »Maria! Natürlich! Wie geht es dir? Wie geht’s Kermit?«
    »Kermit?«
    »Der Fisch in eurer Wohngemeinschaft. Mit der Tuberkulose.«
    »Kermit geht’s wieder besser.«
    »Das freut mich!«
    Einer dieser Soft Skills , die Maria einfach nicht hatte: Immer interessiert sein. Dran bleiben, an den Problemen und Problemchen anderer Menschen. Sie im Kopf behalten, über Wochen, Monate.

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