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Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Titel: Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Hensel
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ist harmlos.«
    Er drehte den Deckel auf und hielt Hamoudi das Döschen hin. »Viele Grüße von Mouheddine.«
    »Der Alte oder der Sohn?«
    »Der Alte ist tot. Aber sein Sohn wahrt die Tradition. Die violetten sind mit Rosenöl.«
    »Als könnte ich das je vergessen.«
    Hamoudi legte sich zwei violette Pastillen auf die Zunge. Ließ sie schmelzen, schloss die Augen. Sein Lächeln warf ein Netz feiner Falten über das Gesicht.
    »Die Griechen sind keine schlechten Menschen«, sagte er. »Aber eine solche Köstlichkeit kriegen sie nicht hin.«
    »Die Griechen machen alles mit zu viel Zucker«, sagte Gabriel.
    »Bist du immer noch Christ?«
    »Natürlich.«
    »Das habe ich an euch Christen immer bewundert: Ihr bringt euch nicht gegenseitig um. Jedenfalls nicht so wie wir. Dafür haben wir mehr Kinder.«
    Hamoudi lachte. Viele seiner Opfer lebten noch. Sie waren ohne Augen, ohne Zunge, schreckten jede Nacht aus Alpträumen hoch. Hamoudi war mit sich im Reinen. Er hatte seinen Reichtum in Sicherheit gebracht und ein neues Leben begonnen. Sein Teppichhandel hatte einen ausgezeichneten Ruf. Waffen verkaufte er nur noch aus Liebhaberei. Er hielt sich blutjunge Mätressen und war stolz auf seine Söhne.
    Er wischte sich mit einem Taschentuch über die Stirn. Er hustete. Ein Nachbar grüßte, er wollte den Arm heben. Doch ihn schwindelte, er musste sich am Stock festhalten. Schweißtropfen fielen von seiner Stirn aufs Pflaster.
    »Möchtest du dich lieber in den Schatten setzen?«
    Hamoudi schüttelte den Kopf. Er versuchte aufzustehen. Er sackte zurück, seine Beine waren gelähmt. Er fixierte Gabriel. Er deutete auf das Silberdöschen. »Du hast nicht zufällig …«
    »Die Pastillen sind nicht von Mouheddine.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Falls sie dich verhaften. Falls du redest.«
    »Aber ich würde doch niemals …«
    Hamoudi atmete rasselnd, in schnellen Stößen. Beide Hände umklammerten den Knauf des Stockes.
    Gabriel stand auf. »Es ist nötig.«
    Er ging ins Geschäft. Der Qanun-Kasten war schwer und sperrig. Doch wenn er die Trageschlaufe über die unverletzte Schulter legte und den Kasten unten mit der Hand stützte, konnte er ihn ohne Schmerzen tragen.
    Als er zurückkam, saß Hamoudi blass und fieberheiß auf seinem Stuhl. Er konnte nicht aufstehen. Er konnte nicht um Hilfe rufen. In wenigen Augenblicken würde er nicht mehr sprechen können.
    »Wie lange habe ich noch?«, röchelte er.
    »Fünf bis acht Minuten. Du wirst einfach vom Stuhl kippen. Jeder Arzt wird sagen, es war ein Infarkt.«
    Hamoudis Augen wurden feucht. Seine Lippen zitterten. Er hatte entsetzliche Angst vor dem Sterben. »Was ich getan habe … tun musste …«
    Gabriel griff in die Sakkotasche des Alten. Er steckte den Umschlag wieder ein. Seine Frau und seine Söhne würden genug erben, sie brauchten das Geld nicht. Mit brechender Stimme schrie Hamoudi:
    »Für die Sache!«
    Gabriel ging ohne Abschied, den Qanun-Kasten unter dem Arm. Hinter ihm schoss eine Mannschaft ein Tor. Die Jungen jubelten.

15
    Flipflops. Die rosa Riemchen aus Krokodilleder; jeder Schuh mit einem Glitzerstein. Diese Flipflops, erklärte das Preisschild, waren von Crystalishious und kosteten 545 Euro. Über den Flipflops ein T-Shirt, weiß, Baumwolle, ohne Ärmel. 240 Euro. Vermutlich wegen der Pelzapplikation an Brust und Schultern. Badeshorts, 280 Euro. Was die stilbewusste Griechin für einen Nachmittag am Strand so brauchte.
    In der Boutique gegenüber Kinderkleidung. Jäckchen, Schühchen, Hütchen – wer hier seine zwei Kinder neu ausstatten wollte, musste den Wert eines Kleinwagens auf die Theke legen. Maria ging weiter, von Schaufenster zu Schaufenster: Trüffelschaum-Pralinés in einer Patisserie, abstrakte Kunst aus Blattgold und Titan in einer Galerie. Kolonáki war das Amüsierviertel für Athener, die noch Geld hatten. Und Spaß daran, es öffentlich auszugeben. Zum Beispiel an den Tischen des kleinen Restaurants, an dem Maria gerade vorbeilief – keine Vorspeise unter zwanzig Euro. Oder in dieser Sushi-Bar, voller lachender Menschen – jung, schön, sorglos. Krise? Welche Krise? Vermutlich wohnten auch einflussreiche Politiker hier. Oder Gewerkschaftsführer. Jedenfalls lag kein Müll auf der Straße.
    »Egal ob du an den Nordpol oder in den Urwald reist – packe immer ein Kleidungsstück ein, in dem du vor eine Königin treten kannst.«
    Weise Worte ihrer Großmutter. Die es aus ihrem kasachischen Dorf nie an den Nordpol, nie in den Urwald

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