Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Titel: Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Hensel
Vom Netzwerk:
Bei erster Gelegenheit nachfragen, nachfragen, nachfragen!
    »Ich bin gerade in Athen«, sagte Maria.
    »Ich beneide dich!«
    »Kannst du mir einen Gefallen tun?«
    Maria bat sie, im Netz nach Informationen auf Griechisch über Eléni Galánis zu suchen. Eine Journalistin, sagte sie, mit der sie für ein Interview verabredet sei. Alexia verstand sofort, dass man sich über einen solchen Menschen vorher informieren musste. Das war nicht Schnüffelei oder Misstrauen, sondern Ausdruck von Respekt. Sollte sie Maria zurückrufen? Wichtige Stichworte als Mail schicken oder aufs Handy? Noch eine Eigenschaft, die Alexia zur hervorragenden Diplomatin machen würde: Mitdenken, mitdenken, mitdenken!
    Ein Abschleppwagen nahm mit viel Lärm den Schulbus auf den Haken. Maria ging weiter. Alexia fragte:
    »Hast du schon Nachricht aus Reihenwerder?«
    Auf der Halbinsel Reihenwerder, im Berliner Stadtteil Tegel, lag der Campus der Diplomatenschule.
    »Vor ein paar Tagen«, sagte Maria, »ist ein Brief gekommen.«
    »Zu mir auch«, seufzte Alexia. »Weiß nicht, was ich falsch gemacht habe.«
    »Die nehmen dich nicht?«
    »Mein Japanisch war an dem Morgen unter aller Kritik. Und in der Gruppendiskussion habe ich Europarat und Europäischer Rat verwechselt.«
    »Ich glaube nicht, dass das so wichtig –«
    »Ich habe mich bei den Staatsschulden Belgiens vertan! Um einhundert Milliarden Euro!« Maria hörte sie schluchzen. »Das Niveau ist hammerhoch! Die nehmen nur die Besten.«
    »Nimm es dir nicht zu –«
    »Und wir sind eben nicht die besten!«
    »Wir –«
    »Wir sind nicht Elite!«
    »Du –«
    »Gute Besserung für Kermit!«
    Maria stand in einer Seitengasse, vor einem Café, aus dem Reggae-Musik und Rauchschwaden drangen. Sie atmete tief ein und aus; Marihuana roch besser als verwesender Müll. Wo war der Pizzastand? Wie war sie in diese Gasse gekommen? Warum hatten sie Alexia nicht genommen?! Saßen Saboteure in der Prüfungskommission? Wählten tückisch die untauglichsten Kandidaten aus, um den diplomatischen Dienst der Bundesrepublik Deutschland zu ruinieren?!
    »Aléxandros Grigorópoulos, 1993–2008. Während einer Demonstration von einem Polizisten erschossen.« Maria stand vor einer Gedenktafel. Sie war geschmückt mit roten Nelken. Neben der Gedenktafel hing ein Plakat. Es zeigte einen Jungen mit schwarzen Locken und großen Augen. Das Plakat schwor Rache.

14
    »Die Geschäfte laufen schlecht. Sie werden wieder besser laufen. Ich danke dem Herrn für jeden neuen Tag.«
    Sie saßen auf zwei Korbstühlen, im warmen Licht der Abendsonne, vor dem Schaufenster von Al Hajjar und Söhne . Vor ihnen, auf einem Platz mit Kopfsteinpflaster, spielten einige Jungen Fußball. Sie kämpften verbissen um den Ball, foulten sich und beschimpften den Schiedsrichter, der, kleiner als seine Kameraden und dicklich, schüchtern in seine Pfeife blies.
    Hamoudi sog an seiner Wasserpfeife und reichte Gabriel das Mundstück. Gabriel schüttelte den Kopf.
    »Du rauchst immer noch nicht?«
    »Nein.«
    »Alkohol?«
    »Selten.«
    »Frauen?«
    »Ich habe für solche Dinge keine Zeit.«
    Hamoudi lachte. Obwohl er sich beim Sitzen auf einen Stock stützen musste, war er immer noch ein gut aussehender Mann. Er hatte breite Schultern, volles, dunkelgraues Haar und buschige Augenbrauen. Wenn er lachte, blitzten Goldzähne. Er war ein Mann im goldenen Herbst des Lebens. Ein Mann, vor dem sich Menschen in den Dreck geworfen, um Gnade gefleht hatten, für sich und ihre Lieben.
    »Hast du die Sachen bekommen?«, fragte Gabriel.
    Hamoudi deutete mit dem Kopf auf das Schaufenster. »Hinten, an der Wand.«
    Gabriel stand auf. Er stieß die Tür auf und trat ins Halbdunkel. Mehr noch als den Anblick alter Teppiche liebte er ihren Geruch. Sie rochen nach Sicherheit, Tradition und Heimat – nichts davon hatte er in seinem Leben gekannt. Die Seidenläufer, die farbenfroh glänzten und den Laien beeindruckten, waren billige Neuware aus China. Doch die schweren, dunkelroten und blauen Wollteppiche an den Wänden waren kostbare alte Stücke aus Kaschmir und Kerman.
    An der Wand, hinter einem niedrigen Teetisch, lehnte ein lackierter Holzkasten, der an einer Seite spitz zulief: ein Koffer für ein Qanun, eine arabische Zither. Gabriel stellte den Kasten auf den Tisch, ließ die Schnallen aufschnappen und klappte den Deckel hoch. Vier 65-Millimeter PEARL-Handgranaten und ein faltbares PP-90 Maschinengewehr mit drei Magazinen à dreißig Schuss lagen im weinroten

Weitere Kostenlose Bücher