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Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Titel: Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Hensel
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einer Mulde aus Schaumstoff. Die fünf größeren Röhrchen enthielten jeweils etwa einen Drittel Liter einer klaren, farblosen Flüssigkeit. Die fünf kleineren Röhrchen fassten kaum den Inhalt eines Schnapsglases; ihr Inhalt war trübe gelb. Alle Röhrchen waren sorgfältig verschlossen, mit Silikon und Siegellack. Unmöglich, sie zu öffnen, ohne das dünne Glas zu zerbrechen.
    Er holte die Bibeln aus den Plastiktüten, legte sie aufgeschlagen aufs Bett. Er streifte Gummihandschuhe über die Hände, bevor er das Zigarrenkistchen öffnete. In Watte gebettet, lagen die fünf Mikrozellen in dem Kistchen. Auf den Zellen waren winzige Chips befestigt, von denen sich je zwei Drähte spreizten – wie die überlangen Fühler betäubter Käfer. So hauchdünn waren Drähte und Glas, dass seine Finger nicht den feinsten Fettfilm hinterlassen durften. Das Glas würde sich sonst ungleichmäßig erhitzen, es konnte zu früh brechen oder zu spät; die Lösungen würden versickern, ohne sich zu vermischen.
    Aber sie mussten sich vermischen, im richtigen Verhältnis. Das hatten sie ihm vorgeführt, an dem Vormittag in der Wüste. Nach drei Stunden Fahrt hatten sie in einer zerschossenen Kaserne Halt gemacht. Gabriel hatte nicht gefragt, wo sie die Sahel-Flüchtlinge aufgetrieben hatten. Auf der Ladefläche eines Lastwagens hatten sie sie herangeschafft, in einen Container getrieben und den Container verschlossen. Dann hatten sie festgestellt, dass die Kamera zwar Bilder nach außen übermittelte, aber keinen Ton. Fast zwei Stunden hatten sie Kabel umgesteckt, Adapter poliert, die Konfiguration ihres Laptops geändert. Die Sonne war immer höher gestiegen und hatte auf den Container gebrannt. Schließlich hatte Gabriel gesagt:
    »Wir machen es ohne Ton.«
    Die Libyer hatten sich entschuldigt. Sie hatten neben Gabriels Stuhl ein Tischchen gestellt, mit Datteln und Hibiskustee. Sie hatten die Aufzeichnung gestartet und die Vorführung begonnen. Danach hatte Gabriel gesagt: »Und jetzt reden wir über den Preis.«
    Er nahm einen Zünder aus dem Zigarrenkistchen, legte ihn in die Aussparung einer Bibel. Breitete die Drähte aus. Er legte erst ein großes, dann ein kleines Röhrchen in die Aussparung. Er wickelte den Draht fest, aber nicht zu fest ums Glas.
    »Die Drähte sind gleichzeitig die Antennen«, hatte Hamoudi gesagt.
    Würde es funktionieren? Welche Sicherheit hatte er? Hamoudi hatte ihm sein Wort gegeben. Gabriel hatte ihn bezahlt und getötet. Auf mehr Sicherheit durfte er nicht hoffen.
    Er schlug die Bibel zu. Kaum sichtbar, höchstens einen Millimeter, ragten die Drähte aus dem Goldschnitt. Unwahrscheinlich, dass jemand vorher die Bibeln in die Hand nahm. Und wenn, würde ihm nichts Verdächtiges auffallen. Das Gewicht der Flüssigkeit ersetzte das Gewicht des herausgeschnittenen Papiers. Und die hässliche Frau hatte sich Mühe gegeben. Wie sich hässliche Frauen immer Mühe gaben; es war ihre einzige Hoffnung. Stabil klemmten die Röhrchen in der Aussparung.
    Gabriel nahm den zweiten Zünder aus dem Kistchen. Breitete die Drähte in der zweiten Bibel aus. Er nahm ein Röhrchen …
    »Ahh!«
    Er spürte den schneidenden Schmerz in der linken Schulter. Fast hatte er das Röhrchen fallen lassen. Als ob ein Nerv eingeklemmt war oder entzündet. Und nur in einer bestimmten Drehung, die er nicht wiederholen und nicht vorhersehen konnte, jagte ihm dieser Nerv den Schmerz von der Schulter bis zur Hand.
    Er legte das Röhrchen aufs Bett. Er knöpfte sein Hemd auf und ging ins Bad. Die Schulter war seit heute Morgen etwas angeschwollen. Die Schwellung tat weh, wenn er auf sie drückte. Aber lange nicht so beißend wie eben.
    »Brauchst du einen Arzt?«
    Er hätte besser auf Hamoudi gehört. Hamoudi hätte ihm einen Arzt vermitteln können, der keine Fragen stellte. Gabriel konnte auch allein einen finden, wenn er bei den Arabern im Teehaus fragte. Sein Problem war Zeit. Er hatte einen Plan. Und er brauchte seinen Arm. Er konnte sich keinen Arztbesuch leisten. Schon gar keinen Verband oder eine Operation.
    Er stand vor dem Spiegel und fluchte. Er hatte Lust, der jungen blonden Frau einen Knochen zu brechen oder ein paar Zähne herauszuschlagen. Wie ein Junge hatte sie gewirkt, auf ihrem Mountainbike, mit wehendem Zopf unter dem roten Basecap. Sie hatte neben seinem Wagen angehalten, ohne vom Rad zu steigen. Hatte um Wasser gebeten, freundlich, aber ohne eine Spur von Angst. Er hatte ihr Cola gegeben – statt sie auf der Stelle

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