Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll
nach Swimmingpools auf Dachterrassen. Wasser und Kacheln auf einer Höhe, so dass das Wasser leicht über den Rand schwappt.«
»So wie dieser?«
»Ist es nicht albern? In einem Land, dessen Oberfläche zu neunzig Prozent aus Wasser besteht? Es ist nicht mein Stil, aber was sollte ich machen? Ich wollte den Blick auf die Akrópolis. Rauchen Sie kubanische Zigarillos?«
»Ich rauche überhaupt nicht.«
»Machen Sie eine Ausnahme für diese Cohibitas. Ein Freund schickt sie mir aus Ciego de Ávila.«
»Sie haben Freunde auf Kuba?«
»Ich habe überall Freunde. Sagen wir gute Bekannte. Ein Mann, der glaubt, er habe viele Freunde, belügt sich selbst.«
Er zündete sich eine Cigarillo an und blies einen Ring in die windstille Luft. Er sprach gutes Englisch mit amerikanischem Akzent.
»Sie sind die Deutsche? Mit dem Problem auf Kreta? Eléni Galánis hat mir Ihren Namen … Mein Gott, mein Gedächtnis …«
»Maria Brecht.«
»Ich darf Sie Maria nennen? Eine Silbe weniger.«
Er wandte sich kurz ab, begrüßte ein Ehepaar, das in etwas zu förmlicher Abendgarderobe erschienen war; sie in burgundroter Robe, er im Smoking. Er begrüßte die Dame mit Handkuss. Er wandte sich Maria wieder zu.
»Entschuldigen Sie. Botschafter aus Venezuela. Solche Leute sind furchtbar leicht gekränkt.« Er reichte ihr seine schlanke, sorgfältig manikürte Hand. Sein Händedruck war fest, aber kurz. »Nennen Sie mich Yánnis.«
»Ich habe Sie heute Vormittag gesehen«, sagte Maria. »Auf der Akrópolis.«
»Mich?«
»Sie haben sehr dekorativ an einer Säule gelehnt.«
»Sie waren dort oben?« Er lachte. »Verrückt! Diese jungen Leute haben mich genervt, lieber Himmel! ›Das Transparent braucht einen extraleichten Stoff, sonst reißt es aus den Angeln.‹ Ich sage: ›Gut, wie viel soll’s kosten?‹ Sie sagen: ›Das Transparent braucht eine spezielle Beschichtung, sonst sieht keiner die Schrift.‹ Ich sage: ›In Ordnung, wie viel soll’s kosten?‹ Sie sagen: ›Das Transparent braucht besondere –‹«
»Sie haben die Aktion da oben finanziert?«
»Warum nicht?«
»OCCUPY THE SYSTEM?«
»Ich finanziere nicht, ich versuche zu helfen.«
»Okay, aber –«
»Sie erinnern sich an Occupy Wallstreet ? Die Aktion hat mich geärgert. Weil die jungen Leute Wallstreet nicht besetzt haben. Sie haben in einem Park ein paar Zelte aufgeschlagen. Die Aktivisten hier sind aus anderem Holz. Natürlich, die Verzweiflung ist größer. Das Land steht am Abgrund, ihre Zukunft. Sie müssen das Alte niederreißen und etwas Neues aufbauen. Es ist ihre einzige Option.«
Der Rauch seiner Cohibita roch gut. »Tagsüber finanzieren Sie die Besetzung der Akrópolis?«, fragte Maria. »Und abends laden Sie Unternehmer und Botschafter ein?«
»Sehen Sie darin einen Widerspruch?« Nachdenklich blies er einen zweiten Ring in die Luft. »Sehen Sie, Maria: Ich bin Investor. Ich investiere in Veränderung. In Menschen, die sich nicht einreden lassen, unsere Welt könne nur so sein und nicht anders. Wie sagt Ihre Bundeskanzlerin? Alternativlos? Schmeißen Sie sie raus.«
Eine Frau mit kurzen, kastanienbraunen Haaren und karmesinrotem Kussmund näherte sich von hinten. Sie leckte Yánnis über den Nacken. Ihre großen Pupillen hatte sie ganz sicher nicht vom Alkohol. Yánnis flüsterte in ihr Ohr, sie kreischte. Sie verlor das Gleichgewicht, kippte zur Seite, Yánnis fing sie auf. Er gab einem Serviermädchen ein Zeichen, sie führte die Frau zu den Champagnergläsern. Er wollte mit Maria allein reden.
»Ich komme aus Thessaloniki. Mit siebzehn bin ich abgehauen. Habe die Enge nicht mehr ausgehalten, die Spießigkeit. Jetzt komme ich zurück. Warum? Natürlich, einige Griechen glauben immer noch, sie können so weitermachen. Ein Sparpaket hier, eine Rettungsspritze dort. Aber die Wut wächst. Mit der Wut wächst die Kraft, mit der Kraft wächst die Hoffnung. Griechenland war in seiner Geschichte immer groß, wenn es aufstand. Wenn es die Fesseln abwarf. Voranging und anderen Nationen den Weg leuchtete. Ich glaube, Griechenland steht wieder an diesem Punkt.«
»Deshalb sind Sie zurück nach Athen gekommen?«
»Noch ein Glas Champagner?«
Bevor Maria antworten konnte, hielt er zwei Gläser in der Hand. Sie stießen an. Er zwinkerte.
»Übrigens kein Champagner. Ein Cava aus dem Baix Penedès. Eine ökologische Kooperative. Keine Bank wollte den jungen Leuten Kredit geben. Nun probieren Sie, wie gut dieser Cava schmeckt.«
Sie tranken. Im
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