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Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Titel: Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Hensel
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herausgekommen. Gabriel hatte ins Seitenfenster geschossen. Er hatte sich auf sein Klapprad gesetzt und war achtzehn Kilometer zurück nach Sour gefahren. Zweimal war die Kette abgesprungen. Hamoudi hatte beim Frühstück gesessen und einen amerikanischen Sportkanal geschaut. Gabriel hatte gesagt:
    »Auftrag erfüllt.«
    Hamoudi hatte gesagt:
    »Gut gemacht.«
    Gabriel hatte sich auf die Toilette gehockt und gekackt.
    Später stellte sich heraus, der Mann hatte nie mit den Israelis kollaboriert. Und Gabriel hatte nicht ihn erschossen, sondern seine Frau. Aber darauf, erklärte Hamoudi, kam es nicht an. Kein Menschenwerk unter Gottes Sonne war ohne Irrtum. Worauf es allein ankam: Gabriel hatte gewartet.
    Im Nebenzimmer wurde die Tür aufgeschlossen. Er hörte das Lachen der Frau. Sie hatte also nicht geschlafen. Er hörte die Stimme zweier Männer. Er fragte sich, was es über ein Land aussagte, dass die Männer sich die Huren teilen mussten?
    Sein Telefon klingelte.
    »Wir müssen verschieben«, hörte er die metallene Stimme.
    »Wir sind im Plan«, sagte Gabriel.
    »Wir haben einen Verräter. Die Deutsche –«
    »Ich kümmere mich um die Deutsche.«
    »Wir wissen nicht, wie viel sie weiß.«
    »Sie gehört zum Plan.«
    »Für wen arbeitet sie?!«
    Auf dem Nachttisch lag der Zeitungsausriss, das Foto der Frau. Die kleine Nase. Das Basecap.
    »Diese Frau«, krächzte die Stimme, »bringt uns alle hinter Gitter!«
    Gabriel zwang sich zu einem besonnenen Tonfall. »Selbst wenn die Deutsche eine Spur gewittert hatte«, sagte er, »selbst wenn sie etwas wusste; sie wusste nicht das Entscheidende.« Gabriel hatte den Koffer. Auf allen Ebenen liefen die Vorbereitungen. Es gab nicht den geringsten Hinweis auf eine Störung, einen Verdacht. Planmäßig war heute Vormittag der Soldat erschossen worden. Das Volk war empört. Die Medien berichteten voller Geifer. Der Minister war auf dem Weg in die Ägäis. Das alles waren wichtige Schritte. Gabriel sah den kleinen, alten Mann in seinem viel zu großen Sessel sitzen. Sah ihn, wie er seine Stirn mit einem Taschentuch tupfte. Ein Bürokrat, hinter seinem Schreibtisch tat er mutig. Aber sobald er aufstehen sollte, den Finger an den Abzug legen, schlotterten ihm die Knie.
    »Sie hätten niemals diese Frau –«
    Gabriel erklärte geduldig, wie ein Vater seinem verängstigten Kind, dass die Frau wichtig war. Dass sie einen Platz hatte im Plan. Gerade sie, eine junge Deutsche, eine Studentin der Politik, war ein Trumpf in der Hinterhand. Im Nebenzimmer gackerte die Hure, als würde sie an den Füßen gekitzelt. Gabriel dachte, vielleicht gab es wirklich ein Leck, vielleicht war die Deutsche gefährlich, vielleicht war es sicherer, sie heute Nacht zu töten. Aber wieder fühlte er das Pochen in seiner Schulter. Die Wunde war schwarz geschwollen und hart. Er wollte, dass die Frau vor ihrem Tod einen spitzen Stein fühlte.

25
    »Maria! Welche Überraschung!«
    »Ich wollte Ihnen danken. Für die wundervolle Party.«
    »Deshalb sind Sie gekommen?«
    »Nicht nur.«
    Maria hatte zweimal lang, zweimal kurz geklingelt. Sie hatte einen Moment gewartet und wieder zweimal lang, zweimal kurz geklingelt. Sie hatte den Klingelknopf gedrückt gehalten, bis der Türöffner gesummt hatte. Jetzt stand Yánnis vor ihr, in einem rubinroten Hausmantel mit japanischen Schriftzeichen. Er wollte wohl entspannt wirken. Er wirkte nicht entspannt. Er hatte Ringe unter den Augen. Sein Hausmantel roch nach Zigaretten.
    »Ich wusste, dass Sie es sind«, sagte er.
    »Woher?«
    »Ein Grieche hätte zweimal geklingelt und sich ins nächste Café gesetzt.«
    »Ich bin Deutsche. Ich klingele Sturm.«
    Briefe und Schnellhefter waren über die cremeweiße Sitzgruppe gebreitet, Yánnis räumte sie hastig zusammen. Er klappte ein MacBook zu und schob es unter das Sofa. Auf einer Reisstrohmatte lagen Hantelstangen und Gewichte.
    »Möchten Sie Champagner?«, fragte er.
    »Wasser wäre mir lieber.«
    Barfuß ging er die Stufen hoch in die Kochlandschaft. Er holte eine Flasche Evian aus dem Kühlschrank und stellte sie auf die Arbeitsplatte aus Naturstein. Er suchte in den Schränken, offenbar nicht sicher, wo die Gläser waren. Als er sich umdrehte, hatte Maria die Flasche bereits halb leer getrunken.
    »Da hat jemand Durst.«
    »Athen dehydriert mich.«
    »Athen dehydriert uns alle. Vor allem verdummt es. Verklebt die Hirnzellen mit Lügen und Geschnatter. Die ökologischen Winzer pumpen mich um mehr Geld an. Die Hitze,

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