Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll
sechzehnjährig, im weißen Kampfanzug. Eine Medaille um den Hals, stand sie auf einem Podest, lächelte schüchtern zwischen anderen Mädchen, die mindestens einen halben Kopf größer waren. Landesmeisterin im Karate.
»Woher haben Ihre Dienste die Informationen?«
»Wir haben unsere Quellen.«
Der Geheimdienst hatte versäumt, die Kennung am unteren Seitenrand zu löschen. Alle Informationen stammten von der Facebook-Seite von Ludmilla Brecht, der Mutter.
Panourgiás ging die Treppe hoch, seine Plateausohlen knallten auf die Treppenstufen wie Pistolenschüsse. Das Kriegsmuseum war heute, an Mariä Entschlafung, für die Öffentlichkeit geschlossen. Trotzdem hatte Panourgiás auf diesem Treffen bestanden, gerade hier. Er wollte die Geschichte atmen, hatte er gesagt, seine Verantwortung vor der Nation. Im Stechschritt ging es durch die leeren Säle. Durch hellenische Vor- und Frühgeschichte, vorbei an Speeren, Schlachtreliefs, dem Modell einer Triere.
Vor einem Gemälde Alexanders und Darios III. blieb Panourgiás stehen, außer Atem. 333 vor Christus, die Schlacht bei Issos. Sieg der Griechen gegen einen übermächtigen Feind.
»Er hatte Glück«, sagte Panourgiás und hob den dürren Arm. »Darios floh vom Schlachtfeld und ließ seine Streiter entmutigt zurück. Die Perser waren in der Überzahl, sie waren besser ausgerüstet. Sie hätten gewinnen können. Sie hätten gewinnen müssen!«
»Nicht immer gewinnt der Stärkere«, sagte Gabriel.
»Hätte Alexander die Schlacht verloren; niemand würde sich heute noch an ihn erinnern.«
»Die Schlacht war nicht wichtig.«
»Sie war entscheidend!«
»Alexanders Mission war die Weltherrschaft.«
»Ohne den Sieg bei Issos –«
»Der Starke wächst an Niederlagen.«
»Wie wird uns die Geschichte erinnern?«, fragte Panourgiás. »Unterdrücker? Befreier?«
»Die Geschichte erinnert sich an den Reiter, nicht ans Pferd.«
»Das ist der Unterschied! Sie müssen sich um das Urteil der Geschichte nicht kümmern! Wohin ziehen Sie sich zurück, wenn Ihre Arbeit getan ist? Libanon? Dubai? Karibik?«
Gabriel wusste auf diese Frage keine Antwort. Sein Leben nach der Rache; er hatte davon keine Vorstellung. Panourgiás ging weiter. Niederlage von Pýdna … Unterwerfung durch das Römische Reich … Verwüstung durch die Ostgermanen … In einem Augenblick, als er Atem schöpfte, sich die Stirn mit einem Taschentuch betupfte, reichte Gabriel ihm ein Stück Papier.
»Was ist das?«
»Eine Telefonnummer. Die Bergungsteams werden in der Kathedrale die ferngezündeten Sprengsätze finden. Ihre Spezialisten werden den Datenverkehr analysieren. Welcher Anruf, von welchem Telefon hat die Sprengung ausgelöst?«
»Weiter?«
»Gleichzeitig werten Sie das Bildmaterial der Kameras um die Kathedrale aus. Vor allem westlich, Richtung Sýntagma-Platz. Auf mehreren Kameras werden Sie eine kleine, blonde Frau sehen. Um zwölf Uhr greift diese Frau zu ihrem Telefon und wählt eine Telefonnummer.«
»Woher wissen Sie das?«
»Ich werde dafür sorgen. Sicherheitshalber, falls die Kameras diesen Moment nicht aufnehmen, wird sich ein Zeuge unter der Notrufnummer der Polizei melden.«
»Wie können Sie –«
»Er wird sich melden. Eine Stunde nach dem Anschlag. Er wird angeben, er habe zur fraglichen Zeit eine Ausländerin im Café Mykéne gesehen, klein, mit blonden Haaren. Ihr Verhalten war ihm verdächtig. Sie hat eine Telefonnummer gewählt, aber nicht gesprochen. Sie hat das Café hastig verlassen. Die Zeit, der Ort, die Telefonnummer; alles wird die Frau belasten.«
Panourgiás begann zu begreifen.
»Ihre Männer«, sagte Gabriel weiter, »können das Personal des Cafés befragen. Sie werden die Aussagen des Zeugen bestätigen.«
»Das Personal erinnert sich nicht an jeden Gast.«
»Eine attraktive junge Frau! Allein! Die Kellner werden sich erinnern! Bei der Telefonnummer handelt es sich um eine Prepaid-Karte. Ihre Männer werden ermitteln, dass die Karte erst vor wenigen Tagen gekauft wurde. In Athen, am Flughafen. Von einer gewissen Maria Brecht.«
»Von wem wissen Sie das?«
»Von einer Journalistin, die der Spur dieser Deutschen seit Tagen folgt. Sie hat es mir heute Morgen gesagt.«
»Wenn die Journalistin redet?«
»Sie kann nicht mehr reden. Ihre Männer beschlagnahmen beim Händler den Vertrag, die Kopie des Personalausweises. Wenn sie schnell sind, werden sie die Deutsche in ihrem Hotelzimmer verhaften. Spätestens am Flughafen, beim
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