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Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Titel: Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Hensel
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Stadt?«, fragte Chanell.
    »Wir müssen etwas auf den Müll werfen.«
    »Hier ist überall Müll.«
    »Darf aber keiner zugucken.«
    Die Dramadol-Tabletten betäubten den Schmerz nicht so gut wie die Lidocain-Spritzen. Vor allem hüllten sie seinen Geist in eine warme, pulsierende Wolke.
    »Bist du ein Serienkiller?«, fragte Chanell.
    »Wie kommst du darauf?«
    »Weil ich glaube, ich sollte der blonden Frau nachlaufen, damit du sie tötest. Außerdem habe ich gehört, wie du gestern Nacht aus dem Hotel gegangen bist.«
    »Du solltest schlafen.«
    »Ich konnte aber nicht schlafen! Hast du sie gestern umgebracht?«
    »Nein.«
    »Hast du eine andere umgebracht?«
    »Du bist ein freches Mädchen.«
    Gabriel mochte Kinder und tötete sie nur ungern. Aber dieses musste er loswerden; es ahnte zu viel.
    »Wie viele hast du schon getötet?«, fragte Chanell.
    »Auf die Menge kommt es nicht an.«
    »Hundert?«
    »Vielleicht.«
    »Wann hast du deinen ersten Menschen getötet?«
    »Ich war vierzehn.«
    »Wen?«
    »Den griechischen Fischer.«
    »Warum?«
    Weil er an Gabriels Vorhaut gerieben und auf den Schwellkörper über dem Hoden gedrückt hatte. Dann hatte er sich vor Gabriel aufs Deck gekniet. Der Fischer hatte einen dicken Hintern gehabt mit vielen Haaren.
    »Ich habe ihn ins Meer geworfen und das Boot in den Libanon gesteuert. Weißt du, was das ist? Libanon?«
    Sie schüttelte den Kopf und gähnte.
    »Der Libanon ist ein Land. Ich wollte nach Damur, in die Stadt meiner Eltern. Aber ich habe zu weit südlich gesteuert, nach Sour. Weißt du, was da war? 1994, im Libanon? Chanell?«
    Ihre Augen fielen zu.
    »Frieden. Keine Arbeit. Viele junge Männer aus dem Bürgerkrieg. Sie waren älter als ich, stärker, sie hatten viel getötet. Und ich wollte auch töten. Da muss man sich durchbeißen, verstehst du? Chanell! Aufwachen!«
    Er rüttelte ihr Knie. Sie machte die Augen auf und wieder zu.
    »Da kannst du nicht sagen: Ich töte nur für fünftausend Dollar oder ich töte nur für zweitausend Dollar. Du nimmst jeden Auftrag an. Und mit jedem Auftrag wirst du besser.«
    Die Dramadol-Tabletten machten ihn redselig. Er war nicht sicher, ob das gut war. »So wie du. Du klaust von allem ein bisschen. Aber eines Tages siehst du vielleicht etwas Großes. Was du eigentlich klauen willst. Und du erkennst, alles andere war nur Vorbereitung. Dein ganzes Leben, die Gummis gegen Kinder, die … Chanell?«
    Ihr Kopf war auf die Brust gesackt. Er fuhr auf einen Parkplatz hinter einem Möbelhaus. Er wäre lieber weiter aus der Stadt gefahren, zu einer Mülldeponie. Aber die Zeit wurde knapp. Er stellte den Motor aus und schaute sich um – kein Mensch.
    »Chanell?«
    »Hm?«
    »Willst du eine Leiche sehen?«
    »Will lieber schlafen.«
    »Mit ganz viel Blut?«
    Sie kuschelte sich ins Polster. Er stieg aus. Öffnete die Beifahrertür, hob Chanell vom Sitz und stellte sie hinter den Wagen. Sie gähnte und streckte sich. Er öffnete den Kofferraum. Der tote Transvestit lag in einer Pfütze aus Blut. Die Augen starrten in die Sonne. Sofort war Chanell munter und interessiert.
    »Warum hat sie nur ein Ohr?«, fragte sie.
    »Ich habe es abgeschnitten.«
    »Wieso?«
    »Damit die andere Frau denkt … Das ist kompliziert. Fasse sie an den Füßen.«
    »Ist die schwer!«
    »Stell dich nicht an!«
    Sie hoben den Transvestiten aus dem Wagen. Sie warfen ihn die Rampe zur Tiefgarage hinunter. Das Versteck war gut genug für ein paar Stunden.
    »Und jetzt?«, fragte Chanell.
    »Jetzt spielen wir –«
    Er packte ihr Genick. Er hob sein Knie, sie trat, zappelte, fiel aufs Pflaster. Er griff nach ihr, eine Zehntelsekunde zu langsam. Sie sprang auf, rannte, er lief ihr nach. Doch schon war sie am Ende des Parkplatzes. Er konnte sie nicht weiter verfolgen, Menschen hätten ihn von der Straße aus gesehen.
    Er blieb stehen. Verdammte Hitze! Verdammte Tabletten! Er hätte das Mädchen im Auto töten müssen, im Schlaf! Die Tabletten machten seinen Kopf weich. Sie machten seine Bewegungen langsam. Er konnte sich das in den nächsten Stunden nicht leisten! Er durfte die Tabletten nicht länger nehmen! Es brauchte mehr Lidocain!

34
    Sie rüttelte an der Haustür, drückte alle Klingelknöpfe.
    »Eléni!«
    Zehn Uhr morgens, die Luft zwischen den Häusern kochte. Die Haustür ging auf, Maria stürzte vorbei, an einem alten Mann im Sonntagsstaat, die Treppen hoch, erster Stock, zweiter Stock, sie rüttelte und klingelte Sturm.
    »Eléni!«
    Niemand öffnete.
    Sie

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