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Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll

Titel: Das Perseus-Protokoll - Hensel, K: Perseus-Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Hensel
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vor einem rostigen Eisentor oberhalb des Dorfes. Das Tor war mit einer dicken Kette verhängt. Gerakákis stieg aus, schloss die Kette auf und schob das Tor zurück. Sie fuhren durch einen Gemüsegarten bis zu einer Laube. Unter dem Vordach standen eine Bank und ein abgesägter Baumstumpf, der als Tisch diente. Im Fenster hingen rote Vorhänge.
    »Den Garten habe ich geerbt«, sagte Gerakákis und schaltete den Motor aus. »Eine alte Frau, habe ihre Katze von einem Baum gerettet. Zuerst dachte ich, was soll ich damit? Jetzt ziehe ich Gemüse. Tomaten, Gurken, Auberginen. Man weiß nie, wann die schweren Zeiten wiederkommen. Und es ist ein guter Ort, wenn mich niemand finden soll. Zum Beispiel die letzten drei Tage.«
    Sie stiegen aus. Bienen summten, Schmetterlinge flatterten in den Beeten. Auf dem Baumstumpf standen ein tragbarer Fernseher und ein Satellitenempfänger.
    »Was wollen wir hier?«, fragte Maria.
    »Wir haben, Frau Brecht …« Gerakákis suchte nach Worten, seine Hände wischten durch die Luft. »Wir haben Ihnen gegenüber nicht mit offenen Karten gespielt. Wir haben Sie in eine Sache hineingezogen, die nicht Ihre Sache war. Ich möchte, dass Sie verstehen, warum wir so handeln mussten.«
    Er hielt ihr eine Mappe hin. Karton, seidenmatt, dunkelblau und elfenbein. Das Firmenlogo im Prägedruck: Kronos Dynamic Investment Fund.
    »Diese Mappe habe ich zum ersten Mal vor zwei Monaten gesehen«, sagte er. »Ein pensionierter Chirurg aus Heilbronn, der hier mit seiner Frau lebt. Er wollte meinen Rat. Ob die Polizei von dieser Gesellschaft schon einmal gehört hätte. Ich habe gesagt, diese Betrüger gründen Gesellschaften, wie ein Bäcker Brötchen backt. Finger weg!«
    Er öffnete die Motorhaube und klemmte Kabel an die Batterie. Maria blätterte durch die Seiten. Kurven, Grafiken, Tortendiagramme. Alle Texte auf Griechisch, Englisch, Deutsch. Fotos von EZB- und IMF-Tagungen. Demonstrationen aufdem Sýntagma-Platz. Rauchsäulen über dem Parlament.
    »Vor zehn Tagen habe ich den Chirurgen wiedergetroffen. Er war aufgebracht. Alle seine Geldanlagen waren im Keller. Er wollte sich in diesen Fonds einkaufen. Aber es war nicht mehr möglich. Der Fonds war für neue Investoren geschlossen.«
    Von Unsicherheit war in dem Prospekt die Rede, von Volatilität der Märkte, von politischen Krisen. Aber auch von Chancen, die gerade diese Krisen dem Investor eröffneten. Ihr Blick blieb auf der letzten Seite hängen. Ein Brief, in elegant geschwungener Handschrift, an die Dear investors . Die Rede von einer Welt der Möglichkeiten. Von Menschen, die nach vorn schauen, in Alternativen denken. Ein Zitat von Antoine de Saint-Exupéry: »Die Zukunft soll man nicht voraussehen wollen, sondern möglich machen.« Unter der Überschrift das Foto eines Mannes, den sie sofort erkannte. Offener, schwarzer Hemdkragen. Graues, schulterlanges Haar, die Sonnenbrille über die Stirn geschoben. Entspanntes Lächeln, die Zähne weiß wie Zuckerguss.
    »Sein richtiger Name ist Panagiótis Koufós«, sagte Gerakákis und steckte Fernseher, Satellitenempfänger, Autobatterie zusammen. »Seit 2004 war er Derivatehändler an der Wall Street. Erst Goldman Sachs, dann Merrill Lynch. Keine große Nummer, Jahresgehalt unter einer Million Dollar. Aber er hat große Räder gedreht. Credit Default Swaps , hoch spekulative Produkte, die am Ende nicht einmal die Händler selbst begriffen. Ende 2008 platzte die Blase. Merrill Lynch war ruiniert, Koufós saß auf der Straße. Aber wie sagt das Sprichwort? ›Wichtig ist nicht, ob du auf die Schnauze fliegst. Wichtig ist, dass du wieder aufstehst.‹ Und Koufós ist wieder aufgestanden. In Athen. Als Yánnis Kostáki.«
    Er schaltete den Fernseher und den Satellitenempfänger ein. Er drehte Knöpfe, justierte die Schüssel. »Alle griechischen Sender sind tot. Aber wir kriegen das Ausland.«
    CNN . Live-Bilder aus Athen. Korrespondenten mit Satellitentelefonen. Sie zeigten eine Stadt im Ausnahmezustand. Geplünderte Geschäfte, ausgebrannte Wagen. Die Kathedrale mit den zerschossenen Fenstern. Aber sie zeigten auch: Polizei und Armee bekamen die Lage nach und nach unter Kontrolle. Der Ministerpräsident gab Anweisungen vom Krankenbett. Bürgerwehren schützten ihre Viertel. Seit einer halben Stunde floss wieder Wasser aus den Leitungen.
    »Der Putsch ist gescheitert«, sagte Maria.
    »Er ist nicht gescheitert.«
    »Alle wichtigen Leute sind tot.«
    »Die wichtigen Leute sind tot?« Gerakákis lachte.

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