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Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
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Einzelheiten beschrieb sie den Rosengarten des Klosters und wie schön es dort war. Auch von Anderl erzählte sie. Sie beschrieb ihn, sogar seine Grübchen, die sich immer nur dann zeigten, wenn er lachte, erwähnte sie.
    »Die Leute glauben, er wäre dumm«, sagte sie. »Aber das ist er nicht. Er ist ein kluger Junge, der nur etwas länger braucht, bis er versteht.«
    Plötzlich richtete sich Anna Wrangel auf.
    »Jetzt kommt es. Ich fühle es. Schnell, du musst es rausholen.«
    Entsetzt sah Marianne sie an. Anna Margarethe raffte ihre Röcke, öffnete ihre Beine und entblößte ihre Scham. Und tatsächlich erkannte Marianne den Ansatz eines kleinen Kopfes mit schwarzem Haar. Anna Wrangel schrie herzzerreißend und begann, fest zu pressen. Panisch griff sie nach Mariannes Hand, drückte zu und sah sie aus weit aufgerissenen Augen an.
    »Hol es raus! Bitte! Du musst es rausziehen! Ich halte das nicht aus!«
    Sie hob ihre Beine an und presste. Der winzige Schopf schob sich ein wenig nach vorn. Marianne befürchtete, dass, wenn Anna Margarethe so weiterdrückte, sie ihr bestimmt alle Finger brechen würde. Die Wehe ebbte ab, und Anna entspannte sich. Marianne ließ ihre Hand los. Sie versuchte, logisch zu denken. Wieder fiel ihr Milli ein. Was würde die Marketenderin jetzt tun? Sie hatte schon so manches Kindchen auf die Welt geholt. Doch das hier sah nicht wirklich nach holen aus, es hatte eher etwas mit Pressen und Drücken zu tun. Aber vielleicht konnte sie Anna ja dabei helfen. Marianne kroch hinter Anna Margarethe, schob ihre Hände unter ihren Achseln hindurch und griff unter ihre Knie.
    »Beim nächsten Mal drücken wir gemeinsam.« Die beiden mussten nicht lange auf die nächste Wehe warten. Mit aller Kraft drückte Marianne Anna Margarethe nach vorn. Anna Margarethe schrie ohrenbetäubend. Als die Wehe wieder abebbte, blickte Marianne zwischen Annas Beine. Und tatsächlich, der kleine Kopf war zur Hälfte zu erkennen, und sogar die winzige Nase war bereits zu sehen. Bestimmt war es jetzt gleich geschafft.
    »Ich kann schon die Nase sehen«, versuchte sie, die Gebärende zu ermutigen.
    Kurz darauf wurde Anna Margarethe erneut unruhig und atmete tief ein. Wieder stieß sie einen markerschütternden Schrei aus, und Marianne drückte sie mit aller Macht nach vorn. Und da geschah es: Der Kopf rutschte hinaus, und das Kind landete zwischen Annas Beinen. Erleichtert sanken die beiden Frauen zurück, blickten dann aber sofort auf das kleine Wesen.
    »Ein Junge! Es ist ein Knabe!« Anna Wrangel lächelte erschöpft, aber glücklich. »Oh, er ist wunderschön.«
    Marianne griff nach einer der Decken neben sich, wickelte den kleinen Kerl, der erstaunlich sauber war, darin ein und legte ihn in Annas Arm. Marianne lächelte erschöpft, und Tränen der Erleichterung rannen über ihre Wangen.
    »Wir haben es geschafft. O mein Gott, er ist wunderschön!«
    Anna Margarethe atmete tief durch.
    »Ganz ist es aber noch nicht vorbei«, sagte sie. Ihr Leib begann sich noch einmal zusammenzukrampfen. Sie verzog das Gesicht. »Kommt da etwa noch ein Kind«, fragte Marianne.
    Anna Margarethe musste trotz der Wehe lachen.
    »Nein, der Mutterkuchen.« Sie zog an der Nabelschnur, und tatsächlich, zwischen ihren Beinen kam ein fleischiger roter Hautklumpen heraus.
    »Das kommt immer«, erklärte Anna Margarethe. »Die Hebammen warten sogar darauf. Es ist wichtig, dass er rauskommt. Er wird ja nicht mehr benötigt.«
    Marianne zuckte mit den Schultern und deutete auf die blaue Nabelschnur, die neben der Decke hing.
    »Und was machen wir damit?«
    Anna seufzte.
    »Es wird mit einem Messer durchtrennt, aber ich habe keines bei mir.«
    »Tut das nicht weh?« Marianne riss verwundert die Augen auf.
    Anna Wrangel schüttelte den Kopf.
    »Nein, weder mir noch dem Kleinen.«
    Der Säugling hatte inzwischen laut zu schmatzen begonnen. Anna schob ihm ihren kleinen Finger in den Mund, und er begann sofort daran zu saugen.
    »Er hat schon Hunger«, sagte sie lachend.
    Marianne war noch immer mit der Nabelschnur beschäftigt.
    Sie suchte in ihrer Rocktasche und zauberte ein winziges Messer hervor.
    Anna Margarethe sah sie erstaunt an.
    »Milli hat es mir gegeben. Sie meinte, ich könnte es bestimmt irgendwann einmal gebrauchen.«
    Anna Margarethe schmunzelte, während Marianne die blaue Schnur durchtrennte. Marianne war seltsam. Sie selbst würde niemals auf die Idee kommen, ein Messer mit sich herumzutragen.
    Wenig später saßen die beiden

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