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Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
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erschöpft am Feuer, und Mariannes Kopf begann zu schmerzen, doch sie war glücklich, denn sie hatten es geschafft. Das Kind war auf der Welt.
    Anna hatte den Kleinen an die Brust gelegt. Das Feuer knisterte, kleine Funken stoben in die Höhe, und die große Tanne breitete ihre mächtigen Äste schützend über sie aus. Anna Margarethe änderte irgendwann stöhnend ihre Sitzposition.
    »Vielleicht ist es besser, wenn du dich wieder hinlegst«, schlug Marianne vor und warf einen Ast ins Feuer.
    Anna winkte ab.
    »Es geht schon.« Sie schaute auf das Kind in ihrem Arm, das fest schlief.
    »Er ist so zauberhaft.«
    Marianne nickte.
    »Und ganz der Papa.«
    »Ja, er ist ihm wie aus dem Gesicht geschnitten. Carl wird sich sehr freuen. Er hat sich so sehr einen Jungen gewünscht, nachdem …« Anna verstummte.
    Marianne fragte nicht weiter. Im Lager starben die Kinder wie die Fliegen, besonders den Winter überlebte nicht einmal die Hälfte von ihnen.
    Anna Margarethe legte Marianne die Hand auf den Arm.
    »Danke. Ohne dich hätte ich das nicht geschafft. Es tut mir leid, dass ich anfangs so herzlos zu dir war.«
    Marianne sah die Generalsgattin verblüfft an. Damit hatte sie nicht gerechnet.
    Anna Margarethe sprach weiter:
    »Wir sind uns gar nicht so unähnlich, weißt du. Ich bin auch ein Waisenkind. Mein Vater zog in den Krieg und kam nicht zurück. Als ich acht Jahre alt war, wurde unser Gut überfallen. Meine Mutter und meine Geschwister kamen dabei ums Leben.«
    Marianne sah Anna Margarethe mitleidig an. Selbst jetzt, nach so langer Zeit, fühlte sie den Schmerz, der in den wenigen Worten lag.
    Anna Margarethe Wrangel atmete tief durch.
    »Ich wurde danach in ein Zisterzienserinnenkloster gebracht. Doch als ich elf Jahre alt war, kam ich in die Obhut meiner geliebten Pflegemutter, Gräfin Löwenstein. Damit mich die Katholischen nicht verführen, hat sie gesagt. Sie hat sich um meine Erziehung gekümmert, und ich bin gemeinsam mit ihrer Tochter im Feldherrenhof von Johan Banèr aufgewachsen und genauso wie sie erzogen und unterrichtet worden.«
    Marianne hörte aufmerksam zu. Auch sie erkannte Parallelen zu ihrem eigenen Leben, doch es war sicher ein Unterschied, ob man bei einer Gräfin aufwuchs oder in einer Brauerei. Auch wenn das Leben in einem Feldherrenhof gewiss um einiges härter war als in einer Stadt wie Rosenheim. Warum allerdings die Katholischen jemanden verführen sollten, verstand sie nicht, aber sie sagte lieber nichts dazu.
    »Nach dem Tod seiner Frau heiratete Johan Banèr meine Ziehmutter, und ich wurde zu seinem Mündel.«
    Sie lächelte.
    »Bei einem der vielen Bankette bin ich dann Carl begegnet. Wir waren uns auf den ersten Blick zugetan. Er hat mich sogar gegen den Willen seines Vaters zur Frau genommen, der für seinen Sohn eine Partie im schwedischen Hochadel vorgezogen hätte.«
    Sie legte das Kind vorsichtig in den anderen Arm. Der Kleine bewegte die Lippen im Schlaf, seine Händchen waren gefaltet.
    Marianne warf etwas Reisig ins Feuer und schaute sich misstrauisch um. Ab und an knackte es im Unterholz, aber ansonsten war es ruhig. Ein Käuzchen rief irgendwo in der Dunkelheit, und der Mond hing wie eine silberne Sichel am Himmel.
    Anna folgte ihrem Blick.
    »Du hast vorhin von Wölfen gesprochen. Denkst du, sie kommen tatsächlich?«
    Marianne zuckte mit den Schultern, trank einen Schluck Wasser und reichte die Flasche Anna.
    »Ich weiß es nicht. Normalerweise sind sie im Winter hungriger, sagt jedenfalls Pater Johannes. Aber man kann es nie wissen.«
    Sie wickelte sich in eine Decke.
    »Solange das Feuer brennt, denke ich, haben wir nichts zu befürchten. Bestimmt suchen die anderen schon nach uns.«
    Marianne legte sich hin und schob sich ein Kissen unter ihren schmerzenden Kopf.
    »Vielleicht kommen sie ja schon bald.« Annas Stimme klang hoffnungsvoll.
    »Bestimmt«, murmelte Marianne und schlief ein.
     
    Einige Stunden später wurde Marianne von einem seltsamen Geräusch geweckt und setzte sich abrupt auf. Der Morgen dämmerte, und die Büsche und Bäume lagen im Zwielicht des herannahenden Spätsommertages.
    Suchend schaute sie sich um, und ihr Herz schlug ihr vor Aufregung bis in den Hals. Wieder vernahm sie das Geräusch. Äste knackten hinter ihr, und sie drehte sich nervös um. Es raschelte im Unterholz. Vorsichtig stand sie auf und griff nach einem dicken Ast. Erneut raschelte es, und auch Anna Margarethe schreckte auf.
    »Was gibt es denn«, fragte sie unruhig. Marianne

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