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Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
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legte den Finger auf den Mund und blickte in die Richtung, aus der die Geräusche kamen. Doch dann trat General Wrangel plötzlich aus dem Schatten der Bäume, und sie atmete erleichtert auf.
    Freudig erhob sich Anna Margarethe und lief ihm entgegen. »Ihr habt uns gefunden, ich wusste, ihr würdet kommen«, rief sie erleichtert.
    Überglücklich schloss der General seine Gattin in die Arme. »Meine Liebe, wir waren so in Sorge.«
    Marianne würdigte er keines Blickes. Hinter Carl tauchten jetzt auch Albert, Claude und weitere Männer auf.
    Albert stürzte sofort auf Marianne zu und drückte sie fest an sich.
    »Gott im Himmel sei Dank, du lebst.« Marianne sank in seine Arme.
    *
    Marianne saß am Eingang von Anna Margarethes Zelt und blickte nach draußen. Der September hatte mit reichlich Regen und Kälte begonnen und den sanften Spätsommer der letzten Tage vertrieben. Überall war es unangenehm feucht. Die Nässe kroch durch die Zeltwände und verwandelte den hölzernen Boden in einen rutschigen Untergrund. Das Wetter machte ihnen allen zu schaffen, aber ganz besonders den einfacheren Leuten im Tross. Viele litten unter Durchfallerkrankungen, und seit einigen Tagen war das Gerücht im Umlauf, in der Gegend sei die Pest ausgebrochen. Anna Margarethe hatte sich von den Strapazen der Geburt ungewöhnlich rasch erholt. Sie beschäftigte sich damit, eine neu eingetroffene Truhe mit Kunstschätzen auszupacken, und kicherte albern mit den anwesenden Damen. Der kleine Junge, der bereits einen Tag nach seiner Geburt auf den Namen Carl Philipp getauft worden war, schlief in einer bezaubernden, mit Blattgold verzierten Holzwiege.
    Marianne hatte sich von der Nacht im Wald nicht so schnell erholt wie die Generalsgattin. Anna Margarethe war hart im Nehmen. Sie war die Strapazen des Lagerlebens gewohnt und hatte früh gelernt, mit schwierigen Situationen umzugehen. Marianne war dünnhäutiger. Sie träumte jede Nacht von der Irrfahrt der Kutsche und glaubte, die Finsternis des Waldes zu fühlen.
    Auch den seltsamen Traum mit dem Rosengarten hatte sie nicht vergessen. Immer wieder versuchte sie, sich einzureden, dass alles Hirngespinste waren und es Anderl gutging. Wahrscheinlich leitete ihr Stiefbruder mit Hilfe der Mönche inzwischen die Brauerei und war glücklich. Sie schloss die Augen und stellte sich vor, wie er hinter der Theke stand und stolz das frisch gebraute Bier ausschenkte. Plötzlich hatte sie das Gefühl, den Duft von Malz wahrzunehmen, diesen einzigartigen Geruch, den sie früher verabscheut hatte und der ihr jetzt unsagbar fehlte. Seufzend stützte sie ihr Kinn auf die Hand und ließ ihren Blick über den Platz wandern.
    Einige Pferde standen, vor Karren gespannt, im Regen. Wieder waren Vermittler eingetroffen. Priester, Boten und Würdenträger, die mit Münzen gefüllte Truhen und Antiquitäten brachten. Wrangel häufte immer mehr Schätze an. Viele Wagen voller Kunstwerke standen in einem Teil des Lagers und wurden streng bewacht. Seit Tagen ging das jetzt schon so, und trotzdem zogen die Männer jeden Tag los, um Dörfer niederzubrennen, Vieh und Getreide zu stehlen. Kirchen und Klöster in der Umgebung wurden geplündert. Albert zog stets mit ihnen. Auch wenn er es nicht wollte, konnte er nicht anders, denn er war seinem Bruder verpflichtet und verdankte ihm viel.
    Marianne seufzte. Er fehlte ihr, und das warme Gefühl ihrer Liebesnacht war verflogen. Manchmal schloss sie die Augen und hoffte, es in sich wiederzufinden – doch vergeblich.
    Die Schatten der letzten Wochen lagen wie Blei auf ihren Schultern. Sie hatte Anderl und ihr Zuhause verloren, und Helene und Eugenie, zu denen sie Vertrauen gefasst hatte, waren tot.
    Sehnsüchtig blickte Marianne zu den Wachmännern, die unter einem provisorischen Unterstand im Regen ausharrten und den Feldherrenhof bewachten. Wie gern wäre sie zu Milli gegangen, denn sie war schon seit längerem nicht mehr dort gewesen. Die Durchfallerkrankungen hinderten sie daran, einfach durchs Lager zu streifen. Anna Margarethe hatte große Angst davor, dass der kleine Carl Philipp krank werden würde, und hatte jedem Mitglied des Feldherrenhofes verboten, in den bunten Tross zu gehen. Vor ihrem Zelt war eine Schale mit geweihtem Wasser aufgestellt, jeder, der es betrat, musste sich darin die Hände waschen.
    »Möchtest du dich nicht zu uns gesellen?«
    Marianne drehte sich um. Anna Margarethe stand hinter ihr und sah sie auffordernd an.
    »Du musst nicht so abseits sitzen

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