Das Pestkind: Roman (German Edition)
ich liebe dich.«
Leidenschaftlich zog er sie an sich und küsste sie, als ein lautes Räuspern sie unterbrach.
Carl Wrangel stand grinsend vor dem jungen Paar, die Hände in die Seiten gestemmt.
»Das verbitte ich mir aber vor der Hochzeit«, sagte er lachend. »Ich denke, es wird Zeit, dass wir euch beide endlich vermählen, bevor ihr euch noch versündigt.«
Marianne errötete.
Carl Wrangel wandte sich an seinen Bruder.
»In zwei Stunden brechen wir auf. Der Hurenwaibl wird hier- bleiben und sich um die verbliebenen Frauen und ihre Kinder kümmern. Sollte die Pest abklingen, können sie sich wieder dem Haupttross anschließen. Auch die Marketender bleiben vorerst hier, denn es hat noch zwei weitere Fälle in ihren Reihen gegeben. Vorsorglich haben meine Männer sämtliche Karren, Zelte und Waren verbrannt.«
Marianne sog scharf die Luft ein.
Milli war ausgelöscht, einfach so verschwunden, und das Einzige, was von ihr geblieben war, waren einige schöne Erinnerungen.
Carl Wrangel fuhr fort:
»Wir ziehen, wie gestern besprochen, Richtung München weiter. In der Gegend liegen viele Klöster und reiche Gemeinden, bestimmt gibt es dort noch eine Menge zu holen.«
Albert nickte stumm. Marianne hielt den Blick gesenkt.
»Auch soll es rund um Dachau hervorragende Wildbestände geben.« Der General klopfte seinem Bruder auf die Schulter.
»Du gehst doch so gern auf die Jagd, gewiss werden wir dazu bald Gelegenheit finden. Und mit Sicherheit werden wir dort auch einen Priester auftreiben, der euch zwei trauen wird.« Er zwinkerte Marianne aufmunternd zu.
Albert sah seinen Bruder irritiert an.
Carl zuckte mit den Schultern.
»Pater Jakobus ist gestern Abend von uns gegangen.«
Albert zog die Augenbrauen hoch.
»Nein, er ist nicht an der Pest gestorben«, beschwichtigte der General sofort. »Es muss das Herz gewesen sein, damit hatte er ja bereits seit längerem zu tun.«
Es wurde später Nachmittag, bis sie endgültig aufbrachen. Marianne saß mit Anna Margarethe und Elisabeth, der Amme des kleinen Carl, in einer Kutsche. Elisabeth stammte aus Sachsen und sprach einen breiten Dialekt. Marianne hatte stets Mühe, die dickliche Frau mit dem blonden, leicht strähnigen Haar zu verstehen, doch für die Trauer, die seit dem Tod ihres eigenen Kindes in ihren Augen stand, brauchte es keine Worte. Marianne fand es herzlos, Elisabeth ein Kind zum Stillen zu geben. Aber Anna Wrangel war da weniger zimperlich. Sie hatte für all ihre Kinder eine Amme, und ob deren Kind lebte oder tot war, das spielte für sie keine Rolle.
Die Kutsche setzte sich in Bewegung, und Marianne schaute zum Fenster hinaus. Irgendwo dort draußen war Milli in einem namenlosen Grab beerdigt worden. Ein dicker Kloß bildete sich in ihrem Hals, doch sie durfte jetzt nicht weinen. Anna Margarethe würde es nicht verstehen. Was sollte sie ihr auch erzählen? Dass sie eine Pestkranke gesund pflegen wollte?
Der kleine Carl Philip, der bisher friedlich im Arm der Amme gelegen hatte, begann zu weinen. Ohne ein Wort knöpfte Elisabeth ihr Kleid auf und legte das Kind an ihre Brust.
Anna Wrangel musterte Marianne.
»Du siehst sehr blass aus, meine Liebe. Geht es dir gut?«
»Es war wohl alles etwas viel in den letzten Tagen.« Marianne versuchte zu lächeln.
Anna Wrangel atmete tief durch und begann, sich mit ihrem Fächer Luft zuzuwedeln, obwohl es in der Kutsche nicht heiß war.
»Du sagst es, meine Liebe. Diese schreckliche Seuche hat uns alle in Atem gehalten. Was bin ich froh, dass wir endlich abreisen. Carl hat mir erzählt, dass es in der Nähe von München sehr hübsch sein soll, gewiss werden wir dort zur Ruhe kommen.«
Marianne antwortete nicht. Ihrer Meinung nach war Anna Wrangel äußerst wenig in Atem gehalten worden. Sie hatte wohlbehütet und abgeschottet in ihrem Zelt gesessen, während draußen im Lager die Toten verbrannt worden waren – während Milli starb.
»Auch könnt Albert und du dann endlich heiraten.«
Marianne riss die Augen auf. Anna Margarethe zwinkerte ihr lächelnd zu. »Carl hat mir davon erzählt, dass er dich und Albert beim Austausch von Zärtlichkeiten beobachtet hat. Da sollten wir wohl besser dafür sorgen, dass ihr schnell in den Hafen der Ehe einfahrt, bevor noch etwas Unschickliches passiert.«
Marianne musste innerlich lachen. Wenn Anna Wrangel wüsste. »Wir haben sowieso schon so lange kein richtiges Fest mehr gefeiert«, fuhr Anna Wrangel fort. »In der letzten Zeit war es so trostlos und
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