Das Pestkind: Roman (German Edition)
ungern etwas anbrennen, musst du wissen.«
Albert atmete tief durch. Er hasste es, mit einem Mann verglichen zu werden, den er kaum als Bruder wahrnahm.
»Ich bin aber nicht Carl.« In seiner Stimme lag ein drohender Unterton.
»Ist ja schon gut.« Claude, der eigentlich zu Turennes Truppen gehörte, sich aber lieber den Schweden angeschlossen hatte, hob beruhigend die Hände.
Albert sah den Franzosen, der es mit seinen großen leuchtend blauen Augen, seinem bräunlichen Teint und den zerzausten schwarzen Haaren bei den Frauen leicht hatte, lächelnd an.
»Hast du Geschwister, Claude?«
»Aber sicher doch«, antwortete der Franzose entrüstet, »derer sogar acht.«
»Und bist du allen ähnlich, denkt ihr alle gleich?«
Claude klopfte Albert lachend auf die Schulter.
»Guter Gott, nein. Jetzt verstehe ich, was du meinst, mein Freund.«
Erneut drang leises Schluchzen an Alberts Ohr. Nervös wanderte sein Blick zu den Geschehnissen auf dem Fußboden, doch niemand schien etwas bemerkt zu haben. Sie mussten hier weg. Wer weiß, wie lange der Junge das Mädchen noch stillhalten konnte. Eigentlich ging er nicht davon aus, dass seine Mitstreiter die Kinder töten würden. Aber im Krieg geschah manches, was man später bereute. Auf den Straßen lagen nicht nur tote Männer, auch Frauen und Kinder waren reihenweise ermordet worden.
»Wir brechen auf«, befahl Albert. Claude sah ihn überrascht an. Albert hatte den höchsten Rang unter den Männern, war der Bruder des Generals, ließ sich das aber nur selten anmerken. Claude hatte den schlanken, drahtigen blonden Mann mit den verträumt blickenden grünen Augen vom ersten Augenblick an ins Herz geschlossen. Er war kein Schaumschläger, hatte seinen Mann auf den Schlachtfeldern gestanden, trauerte allerdings um die Toten, die seit Jahren ihre Wege pflasterten, und zeigte oft Mitleid mit den Armen. Er würde nie ein Anführer wie Carl Wrangel werden, aber er würde seine Menschlichkeit nicht verlieren.
»Ihr habt gehört, was Albert gesagt hat.« Claude klatschte in die Hände. »Es ist Zeit, zu gehen. Lasst die Frau jetzt in Ruhe.«
Die Männer sahen den Franzosen verdutzt an. Der Nächste hatte eben die Hose geöffnet. Die Frau am Boden wirkte wie erstarrt. Zwischen ihren Beinen war der Boden feucht, und auf ihrem nackten weißen Körper glänzte der Schweiß.
Friedrich ließ widerwillig von ihr ab und trat ihr achtlos in die Seite.
»Sie wäre es sowieso nicht wert gewesen. Die Huren im Tross sind besser.«
Hastig kroch die Frau, die durch den Tritt aus ihrer Erstarrung gerissen worden war, hinter den Ofen und versuchte, ihre Blöße zu bedecken.
»Wir gehen«, wiederholte Albert seinen Befehl. »In diesem Haus wird heute kein Blut mehr vergossen.«
Schwarzer Rauch zog durch die Straßen, als die Männer nach draußen traten. Um sie herum herrschte das blanke Chaos. Frauen, mit zerrissenen Kleidern und rußverschmierten Gesichtern, liefen, Kinder hinter sich herziehend, an ihnen vorüber. Tote lagen herum, Feuer loderte aus vielen Häusern. Soldaten rannten, Brot, Schmuck und Federvieh in den Händen, an ihnen vorbei, selbst Schuhwerk und Kleidung trugen sie fort.
Albert achtete darauf, wo er hintrat. In einer Pfütze vor ihm lag der Kopf eines älteren Mannes, der ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. Angewidert wandte er den Blick ab. Die Straßen, Plätze und Wege versanken im Zwielicht eines nahenden Unwetters.
Erleichtert darüber, den Gassen und Wegen der Stadt entfliehen zu können, gab Albert kurz darauf seinem Pferd die Sporen und ritt, gefolgt von Claude und seinen Männern, aufs freie Feld hinaus. Noch immer hingen Rauch und Brandgeruch in der Luft, aber hier draußen konnte man wieder durchatmen. Der andere Teil des Regiments – Infanterie, Musketiere, Stückknechte, Zeugmeister und das Fußvolk – würde ihnen morgen folgen. Sein Bruder lagerte mit dem Haupttross in der Nähe von Wasserburg, das seinem Namen, in einer Flussschleife gelegen, alle Ehre machte. Bereits seit einigen Wochen belagerten sie die uneinnehmbar scheinende Stadt. Der Inn, der durch den stetigen Regen immer weiter anschwoll, wurde für die schwedischen Truppen zu einem Gegner, der sich nicht bezwingen ließ. Die kaiserlichen Truppen waren bei Braunau über den Fluss geflohen und hatten in Salzburg Zuflucht gesucht. Alle Versuche, ihnen zu folgen, waren gescheitert.
Sie ritten an einem verlassenen Bauernhof vorbei. Das Haupthaus war zur Hälfte
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