Das Pestkind: Roman (German Edition)
das schön, dich wiederzusehen.«
Er stellte sie auf die Beine und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. Beschämt schlug sie ihm auf die Schulter.
»Du übertreibst.« Ihr Blick wanderte zu Claude.
»Und unseren Franzosen hast du auch wieder mitgebracht. Na, wenigstens ist euch beiden nichts passiert.«
Sie hob drohend ihre Hand.
»Ich hätte deinem Bruder etwas erzählt, wenn er dich in ernsthafte Gefahr gebracht hätte. Er weiß gar nicht, was er an dir hat.«
Albert lächelte. Als ob sich General Wrangel von einer einfachen Marketenderin etwas sagen lassen würde.
Sie deutete zum Feuer hinüber.
»Wollt ihr euch nicht setzen? Ich kann euch Eier braten, und heute Morgen habe ich Fladenbrot gebacken.«
Albert blickte sehnsüchtig zu dem gemütlichen Lagerfeuer, um das einige Landsknechte, Pikeniere, Söldner, Kürassiere und Soldaten bei ihren allabendlichen Würfel- und Kartenspielen auf Bänken saßen. Man konnte sie an der Kleidung gut auseinanderhalten. Der Kürassier mit seinem federgeschmückten Helm, die Landsknechte mit ihren aufgeplusterten, bunten Hosen und die einfachen Männer, die Hemden und Kniehosen trugen. Doch beim Spiel und bei den Huren waren sie alle gleich.
»Wir werden nicht bleiben können, Milli. Wir müssen gleich zu meinem Bruder und ihm Bericht erstatten. Die Belagerung Aiblings ist beendet.«
Milli warf Albert einen fragenden Blick zu. Er nickte.
Sie seufzte hörbar und bekreuzigte sich.
Claude musterte unterdessen ein junges blondes Mädchen, das ihm eindeutige Blicke zuwarf.
»Muss ich unbedingt dabei sein?«, fragte er und nickte zu der Kleinen hinüber.
Albert schlug ihm lachend auf die Schulter.
»Aber nein, mein Freund. Ich bin sicher, das kann ich auch allein.«
Einige Zeit später stand Albert am Eingang des großen Zeltes, in dem sich sein Bruder, seine Schwägerin, die Generäle und deren Gattinnen zum Abendessen versammelt hatten, und blickte in die Nacht hinaus.
Aus der Ferne drang Musik an sein Ohr, und der Geruch von Holzrauch hing in der schwülen Luft. Das kurze Unwetter hatte kaum für Abkühlung gesorgt.
Er hatte das alles hier so satt. Nicht nur die Kämpfe, die Plünderungen und das Leid der Menschen. Er wollte nicht mehr heimatlos sein. Skoloster, Schweden, all die Dinge, die er liebte und schätzte und die er so sehr vermisste, tauchten vor seinem inneren Auge auf und ließen ihn für einen Moment die weißen Zelte und Karren vergessen.
»Worüber denkst du nach, Bruder?«
Albert drehte sich erschrocken um.
Die dunkle Stimme Carls hatte, auch wenn er nur eine einfache Frage stellte, etwas Bedrohliches an sich.
Nur sehr selten sah man dem Anführer der schwedischen Truppen die Erschöpfung an, doch heute wirkte Carl Wrangel müde, seine kräftigen Wangen waren fahl, und Schweiß stand auf seiner Stirn.
»Ich habe an Skoloster gedacht«, antwortete Albert wahrheitsgemäß.
Sofort erhellte sich Carls Miene.
»Ach ja, Skoloster, die Heimat. Wie schön es dort ist. Sollte dieser Krieg jemals enden, dann kehren wir heim, und ich baue ein Schloss direkt am Mälarensee, wie ich es mir schon immer erträumt habe.«
»Wenn dieser Krieg jemals vorbei ist.« Albert deutete nach draußen.
Carl musterte seinen Bruder nachdenklich.
»Friedrich hat mir von eurem heutigen Tag berichtet.«
»Na und?«
»Du hast dich nicht wirklich an den Aktionen beteiligt, sagte er. Du hättest viele Leute laufenlassen und wirktest häufig so, als wärst du nicht bei der Sache. Er hat mich darum gebeten, einem anderen Kommandeur unterstellt zu werden.«
Albert sah seinen Bruder fassungslos an.
»Wenn er unter Aktionen versteht, Frauen zu vergewaltigen und Kinder zu töten, dann stimmt sein Bericht. Ich habe mich nicht daran beteiligt. Ich habe aber auch niemanden daran gehindert, die Frauen zu schänden und kleine Mädchen zu erschlagen. In den meisten Häusern gab es nichts mehr zu holen. Die Speisekammern haben wir ausgeräumt, sämtliche Räume nach Wertsachen durchsucht und das eine oder andere Haus auch angezündet. Wenn du mich jetzt fragst, wie ich mich dabei gefühlt habe, dann antworte ich dir ehrlich, Bruder: Ich habe mich schrecklich gefühlt. Das hier ist in meinen Augen kein Krieg. Was wir im Moment machen, hat nichts mit Schlachtfeldern zu tun. Wir versetzen Menschen in Angst und Schrecken, töten Kinder und schänden Frauen. Ich schäme mich dafür jeden Tag aufs Neue. Alles, was ich mir wünsche, ist ein Ende. Mein ganzes Leben lang kenne ich nur
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