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Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
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Bitte haltet mich auf dem Laufenden, wie es ihm geht, und richtet meine besten Grüße und Genesungswünsche aus.«
    »Vielen Dank, das werde ich. Es tut mir leid, dass Ihr Euch an diesem kalten Abend umsonst auf den Weg gemacht habt.«
    Der Büttel öffnete die Tür.
    »Macht Euch deshalb keine Sorgen. Ich mag die kühle Herbstluft sowieso viel lieber als die Schwüle des Sommers. Eine gute Nacht wünsche ich Euch. Ich werde Euren Gatten in meine Gebete einschließen.«
    »Habt Dank«, erwiderte Irmgard und schloss, nachdem er in den Laubengang getreten war, die schwere Eichentür. Klappernd drehte sich der Schlüssel im Schloss, und der Riegel wurde vorgeschoben.
    August Stanzinger blieb noch einen Moment in dem Laubengang stehen und blickte über den Marktplatz zum Stockhammer Bräu hinüber. Niemals hätte er sich darauf einlassen sollen, dachte er und ballte die Fäuste. Wie dumm er doch gewesen war. Er, der ehrenwerte Büttel, der in dieser Stadt hohes Ansehen genoss, hatte sich unter Druck setzen lassen von einem Habenichts und Tunichtgut. Er hätte es besser wissen sollen, denn was wäre das Wort eines Fremden schon gegen seines gewesen.
    *
    Pater Franz betrat den kahlen Rosengarten und schlenderte den schmalen Kiesweg hinunter. Die Beete waren mit Tannenzweigen abgedeckt, und auch die letzten Blütenblätter waren inzwischen zu Boden gefallen und wirkten wie verwelkende Farbtupfer. Einige Bäume trugen noch etwas Laub, das in den verschiedensten Farben leuchtete.
    Das Wetter war in der Nacht umgeschlagen. Milder Südwind wehte über die Alpen und hatte alle Wolken fortgetrieben. Wie gemalt standen die Berge direkt vor ihm und wirkten zum Greifen nah. Auch heute plagten ihn wieder Kopfschmerzen, die er bei dieser Wetterlage häufig bekam.
    Margit saß, in Decken gehüllt, auf der Bank, die einst Mariannes Lieblingsplatz gewesen war, und streichelte abwesend den alten Kater, der es sich schnurrend auf ihrem Schoß gemütlich gemacht hatte.
    »Guten Morgen, Margit.« Der Abt setzte sich neben sie.
    Margit wandte den Kopf und sah ihn nachdenklich an.
    »Guten Morgen, Pater«, erwiderte sie seinen Gruß mit monotoner Stimme.
    Mehr konnte Pater Franz nicht erwarten. Margit hatte sich erholt. Ihre Wangen waren voller geworden und hatten wieder Farbe bekommen, und sie konnte sogar selbständig einige Schritte laufen. Das waren aber auch die einzigen Fortschritte. An alles, was vor dem Sturz in den Brunnen passiert war, konnte sie sich noch immer nicht erinnern.
    Der Medikus sprach von Geduld, aber wie sollte er Geduld aufbringen, wenn er doch wusste, dass mit jedem Tag, der verging, Anderls Tod näher rückte.
    Er schob die dunklen Gedanken beiseite, griff in seine Manteltasche und zog einen Brief hervor. Lächelnd zeigte er das Papier Margit.
    »Das ist ein Brief von Maurus Friesenegger, einem alten Freund von mir. Vielleicht erinnerst du dich an ihn?«
    Margit schüttelte den Kopf.
    Pater Franz faltete die Seiten auseinander und überflog die Zeilen, die in ihm unsagbares Glück hervorriefen.
    »Maurus hat Marianne getroffen«, berichtete er. »Kannst du dich noch an sie erinnern? Ihr habt zusammen in der Brauerei gearbeitet.«
    Wieder schüttelte Margit den Kopf.
    Der Mönch schien es nicht zu bemerken und sprach weiter: »Sie ist wohlauf und scheint es im Lager gut zu haben. Sie wird den jungen Mann sogar bald heiraten.«
    Margit antwortete nicht. Der Kater streckte sich, sprang von der Bank herab und stolzierte mit hocherhobenem Schwanz den Kiesweg entlang.
    Pater Franz blickte dem Tier wehmütig hinterher.
    »Sie hat nach dem Kloster gefragt und nach Anderl.«
    Plötzlich verflog seine gute Laune, und das Hämmern in seinem Kopf wurde wieder stärker. »Maurus hat ihr von Anderl berichtet. Sie war sehr traurig. Anscheinend hat sie fest damit gerechnet, dass sich alles zum Guten wendet. Jetzt schäme ich mich noch mehr, ihm nicht helfen zu können.«
    Margit hatte die Augen geschlossen, ihr Kopf war nach vorn gesunken, und sie schnarchte leicht. Traurig sah der Mönch das Mädchen an. Wahrscheinlich würde sie nie wieder richtig gesund werden oder sich an irgendetwas erinnern. Sie war der letzte Strohhalm gewesen, an dem er sich noch festgehalten hatte, und es war schwer zu begreifen, dass er ihn loslassen musste.
     
    Später am Tag saß er in der Klosterkapelle und betete.
    Er genoss es, in dem kühlen und stillen Gotteshaus zu sitzen, und atmete den geliebten Duft des Weihrauchs tief ein. Eigentlich hätte

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