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Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
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seinem Kumpan einen strafenden Blick zu.
    »Erschreck sie doch nicht so, Ludwig.«
    Er hielt Marianne seinen Becher hin.
    »Magst einen Schluck Branntwein, Mädchen? Wird dir bestimmt guttun, der vertreibt den Kummer.«
    Marianne überlegte, ob sie das Angebot annehmen sollte. Doch dann lehnte sie ab, denn der Schluck aus Ottos Flasche war ihr in keiner guten Erinnerung geblieben.
    Sie wandte sich an Ludwig.
    »Und Ihr habt wirklich gehört, dass die Männer nach München gebracht wurden?«
    »Wenn ich es doch sage, Kindchen. Natürlich die, die es überlebt haben, denn viele sollen ja im Moor ersoffen sein.«
    Marianne zuckte erneut zurück. Vor ihrem inneren Auge tauchte Albert auf, wie er in einem dunklen Weiher ums Überleben kämpfte und versank.
    Der andere Wachmann schlug Ludwig auf den Kopf.
    »Was habe ich gesagt: Du sollst dem Mädchen nicht solche Schauergeschichten erzählen. Sieh nur, jetzt ist sie ganz blass geworden.«
    Doch Ludwig reagierte nicht. Sein Blick war plötzlich starr nach vorn gerichtet. Zwei Männer kamen des Weges. Der eine hing am Arm des anderen, sein Bein ragte unnatürlich zur Seite, und Blut klebte an ihren Gesichtern.
    »Hilfe, so helft uns doch«, hörten sie einen der Männer mit erstickter Stimme rufen.
    Sofort sprangen die beiden Wachmänner auf und rannten zu ihnen. Mariannes Herz schlug vor Aufregung schneller. Es kamen doch noch welche, also gab es noch Hoffnung.
    Sie lief aufgeregt neben den Verwundeten her.
    »Habt ihr irgendwo Albert Wrangel, den Bruder des Generals, gesehen?«, fragte sie hoffnungsvoll.
    Der eine der beiden Männer warf Marianne einen mitleidigen Blick zu und schüttelte den Kopf.
    »Nein, tut mir leid. Wir haben niemanden mehr gesehen.«
    Marianne blieb stehen. Die aufkeimende Hoffnung verschwand so schnell, wie sie gekommen war, und Tränen der Verzweiflung traten in ihre Augen. Er musste wiederkommen. Das konnte doch nicht sein. Er konnte sie nicht alleinlassen, das durfte er nicht.
    »Sind wieder neue Verwundete eingetroffen«, fragte plötzlich eine Stimme hinter ihr.
    Marianne drehte sich um. Elise stand vor ihr. Sie trug ein schlichtes beigefarbenes Leinenkleid und eine graue Schürze, die von Blutspritzern übersät war. Ihr Haar war zu einem einfachen Zopf gebunden, und sie sah erschöpft aus.
    Marianne nickte.
    »Ja, aber Albert war nicht dabei. Langsam werde ich mich wohl an den Gedanken gewöhnen müssen, ihn verloren zu haben.«
    Elise trat näher und legte Marianne tröstend die Hand auf den Arm.
    »Ich weiß, es ist nicht leicht, wenn man die Hoffnung aufgeben muss, aber du kannst doch nicht den ganzen Tag hier herumstehen und grübeln. In den Zelten sind so viele Verwundete, die Ansprache und Pflege brauchen. Es wird dir bestimmt helfen, wenn du ihnen Mut machst.«
    Marianne wusste, dass Elise recht hatte. Sie konnte nicht ständig hier stehen und nach Albert Ausschau halten. Viele der Damen halfen und pflegten die Verwundeten. Sie hatte die Zelte bisher immer gemieden. Die Schreie der Männer, die es vor Schmerzen nicht mehr aushielten, waren ihr durch Mark und Bein gegangen.
    »Ich weiß nicht, ob ich der Sache gewachsen bin.«
    Elise legte den Arm um sie und zog sie vom Eingang des Feldherrenhofes weg.
    »Dann machst du eben nur die Dinge, die dir leichtfallen. Auch wenn du nur da bist, hilfst du dem einen oder anderen schon.«
    Marianne nickte unsicher.
    »Also gut, wenn du meinst. Aber wenn ich es nicht mehr aushalte …«
    Elise fiel ihr ins Wort.
    »Dann kannst du natürlich gehen. Niemand zwingt dich dazu, das Leid der Männer mit anzusehen.«
    Sie erreichten eines der Zelte, und Elise schob das Tuch am Eingang zur Seite.
    Fürchterlicher Gestank schlug Marianne entgegen. Überall auf dem Boden lagen auf provisorischen Lagern die Verwundeten. Manche schliefen, andere unterhielten sich, und wieder andere jammerten und stöhnten. Elise nickte ihr aufmunternd zu und ging dann zielstrebig zu einem der Männer.
    Marianne straffte die Schultern und folgte ihr.
    *
    Der Tross hatte sich nach dem Überfall der Kaiserlichen Richtung Westen weiterbewegt und dabei gnadenlos jedes Dorf zerstört, das im Weg war. Carl Gustav Wrangel ließ seine Wut jeden spüren, der ihm in die Quere kam.
    Missmutig beobachtete Marianne nach einem langen Tag in der Kutsche die Knechte dabei, wie sie die Zelte aufbauten. Sie schlugen ihr Lager irgendwo auf einer Lichtung auf. Obwohl den ganzen Tag die Sonne geschienen hatte, war es bitterkalt, und ein kühler

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