Das Pestkind: Roman (German Edition)
Richter wird niemals zu unseren Gunsten entscheiden, denn er stand von Anfang an auf der Seite des Büttels.«
»Ich weiß«, bestätigte Pater Franz.
»Wenn es schlecht läuft, dann werden wir am Ende vor demselben Galgen wie der Junge stehen.«
Johannes riss erschrocken die Augen auf.
»Das denkst du doch nicht wirklich?«
Der Abt zuckte mit den Schultern.
»Dem Büttel traue ich alles zu. Unser Vergehen spielt ihm in die Hände, sieht er mich doch bereits seit längerem als Gegner.«
Pater Johannes trat vom Fenster zurück und setzte sich neben seinen Freund aufs Stroh.
»Aber wir sind Männer des Glaubens, sie können uns doch nicht einfach umbringen.«
Pater Franz sah ihn entmutigt an.
»Das wird den Büttel gewiss nicht aufhalten, denn ich bezweifle, dass dieser Mann an irgendetwas glaubt.«
*
»Wir haben sie. Ich wusste es. Glaubensbrüder, dass ich nicht lache.« Josef lief aufgeregt in der leeren Gaststube der Brauerei auf und ab. An einem der Tische saß der Büttel. Er wirkte nicht ganz so euphorisch wie sein Mitstreiter.
Es war noch früher Morgen, und eine dünne Schneedecke hatte den Marktplatz überzogen.
Josef hatte noch nicht eingeheizt, die Tür stand offen. Fröstelnd rieb August Stanzinger sich die Arme und blickte besorgt nach draußen.
»Nicht so laut. Es könnte uns jemand hören.«
Josef schloss die Tür.
»Was ist los? Wir haben gewonnen. Gewiss werden sie hingerichtet, denn für ein solches Vergehen kann es keine andere Strafe geben.«
»Das habe nicht ich zu entscheiden. Der Richter ist dafür zuständig«, erwiderte der Büttel.
Josef blieb vor dem Tisch stehen, stützte die Arme auf und sah seinem Gefährten in die Augen.
»Ich dachte, Ihr hättet ihn in der Hand. Immerhin hat er doch auch die Aussage von Margit abgeschmettert.«
»Das mag sein, aber es ist ein Unterschied, die Aussage eines leichten Mädchens nicht in Betracht zu ziehen oder zwei Mönche hinzurichten, besonders, wenn einer der beiden Pater Franz ist, der sich um die Stadt sehr verdient gemacht hat.«
Josef richtete sich wieder auf und lief erneut durch den Raum.
Er hatte sich seine Zukunft in Rosenheim wesentlich rosiger vorgestellt. Nichts war so gelaufen, wie er es sich vorgenommen hatte. Der Braumeister hatte gekündigt, die Knechte waren ihm gefolgt, und alle waren zur Konkurrenz abgewandert.
Seine Köchin war seit über einer Woche nicht mehr zum Dienst erschienen, nur weil er sie ein Mal mit dem Kochlöffel verdroschen hatte. Eine einzige Magd hielt den Betrieb in der Küche aufrecht, allerdings war das dumme Ding kaum zu gebrauchen, und da halfen auch die Prügel nicht weiter, die sie jeden Tag von ihm bezog.
Die Gäste blieben mehr und mehr aus. Er hatte geglaubt, er könnte einen gutgehenden Betrieb übernehmen, doch inzwischen war er sich darüber klargeworden, dass er noch viel Arbeit hineinstecken musste. Mit Anschaffen und Ausruhen war es nicht getan. Wie seine Base, das faule Weibsbild, das hinbekommen hatte, konnte er nicht verstehen. Vielleicht lag es daran, dass sie bei den Bürgern Rosenheims angesehen gewesen war. Sie, die Witwe des Braumeisters, die ihrem Mann stets treu zur Seite gestanden und nach seinem Tod die Brauerei weitergeführt hatte.
Er selbst hatte noch keinen Zugang zur Bürgerschaft gefunden. Noch immer wurde er misstrauisch beäugt, und hinter seinem Rücken wurde getuschelt, und auch dass Margit im Brunnen gefunden worden war, hatte seine Situation nicht wirklich verbessert. Doch das Gerede der Leute konnte man beenden. Er wusste nur noch nicht, wie. Auch einen neuen Braumeister würde er finden, und über kurz oder lang würden die Gäste wieder ins traditionsreiche Stockhammer Bräu zurückkehren, dessen war er sich sicher. Allerdings standen seine Pläne auf wackeligen Beinen, denn dieser Mönch wusste zu viel und war, genauso wie Margit, eine Gefahr.
Nächtelang hatte er darüber gegrübelt, wie er den Abt loswerden konnte, aber eine gute Lösung war ihm nicht eingefallen, denn eine Persönlichkeit wie Pater Franz konnte er nicht einfach erschlagen, und unerwünschte Zeugen gab es hier an jeder Ecke.
Er blieb vor dem Büttel stehen.
»Aber jetzt hat er einen Fehler gemacht. Er ist ins Gefängnis eingebrochen, um einen verurteilten Mörder zu befreien.«
August nickte. Immer wieder sah er die drei vor sich, und besonders Anderls Gesichtsausdruck ging ihm nicht aus dem Kopf. Die Angst in seinen Augen. Er hatte so verletzlich und allein gewirkt, trotz der
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