Das Pestkind: Roman (German Edition)
Musik, alle saßen schweigend vor ihren Zelten oder auf irgendwelchen Booten. Die einzelnen Feuer schimmerten durch die Bäume, und der Geruch von Holzrauch hing in der Luft. Marianne hatte ein wenig von dem Haseneintopf gegessen, auch wenn sie eigentlich keinen Hunger hatte.
Alois war den ganzen Abend nicht mehr von ihrer Seite gewichen. Wie ein Schatten hatte er sie überallhin begleitet. Jetzt saß er vor ihr und sah sie verträumt an. Marianne kamen Tonis Worte in den Sinn. Der Junge hatte recht gehabt, denn in den braunen Augen des Schiffsmeisters war tatsächlich mehr als nur Freundschaft zu erkennen.
Sie unterdrückte ein Gähnen, stellte ihren Becher neben sich und sah Alois an.
»Woher wusstest du von der Sache mit den Schweden?«
Alois grinste.
»Einer der Mönche ist ein Freund von mir, er hat davon berichtet. Es hat mich schwer getroffen. Pater Franz hätte das niemals tun dürfen.«
Marianne zuckte mit den Schultern.
»Er hatte keine Wahl. Oder besser gesagt, ich hatte keine.«
»Hast du den Schweden geliebt?«
Marianne errötete und blickte zu Boden.
Er wich ein Stück zurück.
»Du liebst ihn noch immer.«
Marianne schüttelte den Kopf.
»Es spielt keine Rolle mehr, was ich tue. Er ist tot.«
»Das tut mir leid.«
Seine Worte klangen aufrichtig.
In Mariannes Augen traten Tränen. Die Last des Tages fiel von ihr ab, und die Erinnerung an Albert raubte ihr die letzten Kräfte.
Sie wischte sich über die Augen.
»Nur Anderl ist mir noch geblieben. Wenn nicht …«
Alois rückte näher an sie heran und zog sie an sich. Sie ließ es zu, dass er seinen Umhang schützend über ihre Schultern legte, und genoss den Geruch nach Tabak und Wein, den er verströmte.
»Gewiss wird alles gutgehen, du wirst ihn wiedersehen, davon bin ich überzeugt.«
Sie schloss die Augen und lehnte sich an ihn. »Ich bete jeden Tag dafür, denn er darf nicht sterben, das darf einfach nicht sein.«
I n der Kammer herrschte dämmriges Licht, und es war bitterkalt. Ein Strohhaufen diente als Bett, zwei löchrige Decken lagen darauf, und es gab weder Tisch noch Stühle, keine Kerze erhellte den Raum. Die Wände, an denen Striche und eingeritzte Bilder von vorherigen Gefangenen erzählten, waren grau. Spinnweben hingen in den Ecken.
Pater Johannes blickte nachdenklich auf die schwere Tür, die sich laut karrend geschlossen hatte. Noch nie hatte ihm jemand seine Freiheit genommen, dachte er betrübt. Er hatte Kummer gehabt und sich verstecken müssen, und er hatte Dinge im Leben gesehen, die ihn innerlich erstarren ließen, aber eingesperrt worden war er noch nie.
Furcht stieg in ihm auf, die sich anfühlte, als würde ihm jemand die Kehle zuschnüren. Am Ende würden sie für immer hierbleiben müssen, eingeschlossen und vergessen. Sie hatten gesündigt und gegen die Gesetze gehandelt. Aber war es wirklich eine Sünde, für einen Unschuldigen einzutreten?
Pater Franz saß schweigend neben ihm. Er hatte den Kopf an die Wand gelehnt und starrte die Decke an.
Mühsam streckte Johannes seine Beine aus.
Seine alten Knochen schmerzten, denn die Kälte tat ihm nicht gut. In einigen Tagen würde er sich bestimmt nicht mehr bewegen können.
Pater Franz sah ihn an.
»Es tut mir leid, dass ich dich in diese Lage gebracht habe.« Seine Stimme klang rauh.
Johannes stand auf und streckte sich. Seine Gelenke knackten, und ein unangenehmer Schmerz zog bis in seine Zehen.
»Es ist nicht deine Schuld«, erwiderte er und griff sich stöhnend ans Bein. »Ich wollte dich begleiten. Schon vergessen? Wir hätten es auch beinahe geschafft, der Plan war gut.«
Pater Franz veränderte ebenfalls seine Sitzposition.
»Wir hätten das nicht tun dürfen. Wir haben gesündigt.« Er schüttelte den Kopf. Niemals hätte er Johannes in die Sache mit hineinziehen dürfen, denn er allein trug die Verantwortung dafür. Was aus ihm werden würde, war ihm nicht so wichtig, aber Johannes war einfach nur eine treue Seele und hatte es nicht verdient, für seinen Fehler zu büßen.
Er faltete die Hände.
»Was bin ich nur für ein schlechter Abt. Ich habe mich vom Teufel in Versuchung führen lassen und einen guten Freund dazu überredet, vom rechten Weg abzuweichen.«
Johannes trat an das winzige Fenster und blickte über die Dächer der Stadt.
»Was werden sie jetzt mit uns machen?«
Er sah Franz fragend an.
»Ich weiß es nicht, Johannes. Unser Schicksal liegt in der Hand des Gesetzes.«
Johannes zog die Augenbrauen hoch.
»Der neue
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