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Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
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Pater Franz folgte ihm in den Kreuzgang. Am Eingangstor blieb der Richter stehen und reichte dem Mönch die Hand. »Vielen Dank für Eure Gastfreundschaft.«
    Pater Franz hielt die Hand des Mannes fest und blickte ihm in die Augen.
    »Glaubt Ihr mir?«
    Der Richter seufzte.
    »Es ist nicht von Belang, ob ich Euch glaube. Der Zeuge, der den Jungen gesehen haben will, ist in der ganzen Stadt nicht mehr aufzufinden.«
    Pater Franz ließ nicht locker.
    »Danach habe ich Euch nicht gefragt.«
    Constantin von Lichtenberg atmete tief durch.
    »Ja, ich glaube Euch.«

M arianne schlug die Augen auf und schaute in den blaugrauen und von kahlen Ästen durchzogenen Himmel. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, doch um sie herum herrschte bereits Aufbruchstimmung. Die Männer rollten ihre Zelte ein, verstauten Decken und Essgeschirr und spannten die Pferde an.
    Wilhelms Gesicht tauchte in ihrem Blickfeld auf.
    »Steh lieber auf, Mädchen, und such dir eine sinnvolle Beschäftigung. Ist besser für dich.«
    Unbehagen machte sich erneut in Marianne breit. Sie wusste nicht, wie sie sich den Männern gegenüber verhalten sollte.
    Sie richtete sich auf. Jeder Knochen im Leib tat ihr weh, und ihr Kopf brummte. Die Anstrengungen des gestrigen Tages hatten ihre Spuren hinterlassen, und wie sie durch den heutigen Tag kommen sollte, war ihr ein Rätsel.
    Das Lagerfeuer war heruntergebrannt, und es war empfindlich kalt. Sie stand auf, glättete ihren zerknitterten Rock und rieb sich fröstelnd über die Arme, wickelte sich in ihren klammen Umhang und blickte sich um. Die nahen Wiesen waren mit Rauhreif überzogen und glitzerten in der aufgehenden Sonne.
    Sie folgte den Männern zum Fluss. Die Boote lagen festgebunden am Ufer, und zwischen ihnen saßen die Schifffahrer und Reiter in Gruppen beieinander, besprachen den Tagesablauf und aßen nebenbei Fredls Haferbrei, den er eifrig an die Männer verteilte. Wie ein Wiesel rannte der Alte mit Schüsseln, Bechern und Krügen hin und her und achtete darauf, dass jeder seinen Anteil bekam.
    Sie entdeckte Alois, der mitten in einer der größeren Gruppen saß und einem der anderen Männer lachend auf die Schulter klopfte. Ein seltsam warmes Gefühl breitete sich bei seinem Anblick in ihr aus.
    »Was starrst du Löcher in die Luft? Hilf mir lieber!«
    Fredl blieb vor Marianne stehen und streckte ihr ein Tablett mit einem Krug und mehreren Bechern darauf entgegen.
    Marianne sah ihn verdutzt an.
    »Aber, ich dachte …«
    »Zum Denken bist du nicht hier«, fiel er ihr ins Wort. »Du sollst mir helfen, also arbeite gefälligst.«
    Marianne nickte und nahm das Tablett. Sie konnte es kaum glauben. Fredl sprach wieder mit ihr, und so wie es aussah, würde sie ihm trotz der Vorfälle von gestern zur Hand gehen. Ob er sie aber auch auf sein Boot lassen würde, wagte sie zu bezweifeln.
    Erleichtert darüber, etwas zu tun zu haben, ging sie zu den Männern und verteilte Getränke. Später half Marianne Fredl dabei, die Schüsseln an Deck der Kuchelzille zu stapeln.
    »Wir brechen auf«, rief Alois. Die Männer erhoben sich. Alle waren bester Laune, und das schreckliche Unglück schien vergessen zu sein. Die Reiter schwangen sich auf ihre Pferde, während die anderen ihre Plätze auf den Schiffen einnahmen.
    Auch auf die Kuchelzille kletterte ein Mann und nahm am hinteren Ruder Platz. Marianne blieb zögernd vor dem Boot stehen. Gewiss würde Fredl sie gleich fortjagen, doch dann legte sich plötzlich eine Hand auf ihre Schulter.
    Sie drehte sich um.
    Alois lächelte sie aufmunternd an.
    »Guten Morgen, Marianne. Es tut mir leid, dass ich erst jetzt zu dir komme, aber es gab noch einige Dinge zu klären.«
    »Ich bin ja auch nicht wichtig.«
    Marianne lächelte. Erneut breitete sich das warme Gefühl in ihr aus, und ihr Herz schlug schneller.
    »Doch, natürlich bist du wichtig. Ich habe heute Morgen mit den Männern und Fredl gesprochen, als du noch geschlafen hast. Du wirst weiterhin auf der Kuchelzille mitfahren. Fredl ist damit einverstanden. Er hat eingesehen, dass er nicht richtig gehandelt und die Sache mit dem Flussgott übertrieben hat. Wintergewitter sind selten, aber sie kommen vor.«
    Marianne nickte. Sie war nicht begeistert darüber, erneut Fredl zur Hand gehen zu müssen, widersprach aber nicht. Alois hatte für sie gebürgt. Bestimmt war das Gespräch heute Morgen nicht einfach gewesen, und sie wollte ihm dankbar dafür sein, dass sie überhaupt noch mit ihnen reisen durfte, denn bis

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