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Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
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Tür. Anderl verschwand in der Dunkelheit. Sein Weinen verstummte. Pater Franz, der die ganze Zeit über schweigend gewartet hatte, hob beschwichtigend die Hände.
    »Es ist gut, mein Kind. Beruhige dich.«
    »Das sagt Ihr doch nur so.« Wütend deutete Marianne auf die Tür. »Er liegt dort in völliger Finsternis in seinem eigenen Dreck, auf einem alten Strohhaufen voller Flöhe, für etwas, was er nicht getan hat.«
    Seufzend sah Pater Franz den Wärter an, der die beiden neugierig musterte. Dass eine Frau, noch dazu ein Mädchen mit einem solchen Ruf, so mit einem Mönch sprach, war ihm noch nie untergekommen.
    Der Blick des Paters wanderte von Marianne zu Karl und zur verschlossenen Zellentür.
    »Vielleicht wäre es ja möglich, den Gefangenen besser unterzubringen, und ich würde in meiner Funktion als Pater und Vertreter des Klosters dafür bürgen, dass er nicht fortläuft.«
    Der Wärter sah den Mönch ungläubig an und schüttelte den Kopf.
    »Aber Mörder sitzen immer im Verlies.«
    »Er ist kein Mörder.« Marianne verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Ich glaube, wir sollten besser oben weiterreden«, antwortete der Mönch und rieb sich fröstelnd die Hände. Er musste raus aus diesem engen, finsteren Gang, zurück ans Tageslicht. Marianne blickte zur Zellentür und folgte den beiden schweren Herzens.
    Alle drei atmeten erleichtert auf, als sie wieder ins Wachbüro traten. Der Wärter setzte sich hinter sein Schreibpult und sah den Abt fragend an.
    »Ihr verlangt also wirklich von mir, dass ich einen Mörder aus dem Verlies hole?«
    »Es wäre mir auch einen kleinen Obolus wert, wenn ihr den Jungen in eine normale, saubere Zelle mit Fenster sperrt und ihm regelmäßig zu essen gebt.«
    Die Augen des Wärters funkelten. Der Abt war erleichtert. Wie einfach es doch war, die Menschen mit Geld zu locken. Gott möge ihm verzeihen, wenn er in ihnen ab und an die Gier erweckte.
    »An was hattet ihr denn gedacht«, fragte der Wärter.
    Pater Franz zog eine Börse unter seiner Kutte hervor und warf Karl mehrere Taler auf den Tisch. Mit offenem Mund starrte dieser auf den unverhofften Geldsegen. Mit einer so hohen Summe hatte er nicht gerechnet.
    Marianne sah ihren Mentor verwundert an. Viele Arbeiter verdienten diese Summe nicht einmal in einem Jahr.
    »Dafür möchte ich aber auch, dass der Junge sofort herausgeholt, gewaschen und verköstigt wird und Ihr ihn anständig und gut behandelt.«
    Karl nickte eifrig.
    »Natürlich, alles, was Ihr wünscht. Der Junge bekommt meine beste Zelle. Abgemacht.« Er hielt Pater Franz die Hand hin, die dieser halbherzig ergriff.
    »Und am Sonntag sehe ich Euch in der Kirche zur Beichte.«
    Erneut nickte der Wachmann.
    »Aber gewiss doch. In der Kirche, zur Beichte.«
     
    Pater Franz atmete erleichtert auf, als sie wenig später den Salzstadel hinunterliefen und auf den Inneren Markt zusteuerten. Er wusste, er würde lange Zwiesprache mit Gott halten müssen, denn er hatte sich seinen Seelenfrieden erkauft. Die Münzen waren nicht nur für den Jungen gedacht, sondern beruhigten auch sein schlechtes Gewissen Marianne gegenüber.
    Marianne würdigte Pater Franz keines Blickes. Eigentlich sollte sie dankbar sein, aber ihre Enttäuschung darüber, Anderl dort zurücklassen zu müssen, war zu groß.
    Der Wind frischte auf, als sie am Stockhammer Bräu vorbeikamen, verschwand die Sonne. Die Tür stand offen, und Margit fegte die Gasse. Marianne sah sie verwundert an. Margit trug ein enges, tief ausgeschnittenes Kleid, und ihr lockiges Haar hatte sie mit einem Band gebändigt. Nichts war von der Margit geblieben, die nach dem Überfall wie ein Häufchen Elend in der Küche gesessen hatte.
    Marianne blieb stehen und fragte sich, ob sie die Freundin begrüßen sollte. Plötzlich trat der blonde Mann hinter Margit, legte seinen Arm um ihre Taille, drückte ihr einen Kuss auf die Wange und schlenderte pfeifend durch den Laubengang davon. Marianne war fassungslos, und selbst Pater Franz, der jetzt ebenfalls auf Margit aufmerksam geworden war, schüttelte bei so viel zur Schau gestellter Unzucht den Kopf.
    Als Margit Marianne bemerkte, warf sie ihr einen kurzen Blick zu, zuckte entschuldigend mit den Schultern und fegte dann weiter. Marianne wandte sich ab.
    »Und der Mörder hat gewonnen«, sagte plötzlich jemand hinter den beiden. Erschrocken drehten sich Marianne und Franz um. Der alte Theo stand vor ihnen.
    Marianne war irritiert.
    »Woher weißt du, wer der Mörder ist?«
    »Na,

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