Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
Vom Netzwerk:
Kerl.«
    *
    Pater Johannes und Pater Franz gingen durch den sonnendurchfluteten Kreuzgang. Rosen und Efeu rankten an den Säulen hinauf, die den Innenhof umgaben, auf dem ein großer Ziehbrunnen stand. Südliche Fallwinde rüttelte an den Blättern der Büsche und ließen die Berge zum Greifen nah erscheinen.
    Pater Franz schwieg, sein Blick war nach vorn gerichtet. Er hatte keine Augen für den sonnigen Morgen. In wenigen Stunden würden die Schweden kommen und hoffentlich auf ihr Angebot eingehen. Die Bürger der Stadt hatten gegeben, was sie konnten. Es war eine hohe Summe an Talern zusammengekommen, dazu Schmuck und Silbergeschirr, sogar Federvieh, Stoffe, Getreide und Gemüse hatten die Leute gebracht. Er war zuversichtlich, es würde ausreichen, um Wrangel davon zu überzeugen, Rosenheim zu verschonen.
    Pater Johannes sah seinen Freund nachdenklich an. Tiefe Sorgenfalten hatten sich in die Stirn des Abtes gegraben. Falten, die noch vor kurzem nicht da gewesen waren. Die lähmende Anspannung, die in den letzten Tagen im Kloster herrschte, hinterließ ihre Spuren.
    Marianne trat vor ihnen in den Kreuzgang. Am Angelus-Gebet durfte sie nicht teilnehmen, aber Johannes hatte bemerkt, dass sie danach jeden Morgen in die Kapelle ging, um zu beten. Sie sah blass und müde aus, und unter ihren Augen lagen dunkle Schatten. Wahrscheinlich hatte sie wieder die ganze Nacht geweint. Er hörte sie oft schluchzen, wenn er bei seiner abendlichen Runde an ihrer Kammer vorbeikam.
    »Guten Morgen«, grüßte sie höflich und sah ihren Mentor hoffnungsvoll an. Pater Franz lächelte kurz, erwiderte den Gruß, ging dann aber ohne ein weiteres Wort weiter. Pater Johannes, der Marianne ebenfalls gegrüßt hatte und ein paar Worte mit ihr wechseln wollte, folgte ihm irritiert.
    »Warum warst du so abweisend zu ihr?«
    Pater Franz seufzte.
    »Weil ich nicht weiß, was ich tun soll. Ich kann ihr nicht in die Augen sehen, in denen immer dieselbe Frage steht.«
    Pater Johannes wusste, wie Franz mit sich kämpfte.
    »Du kannst nicht anders handeln«, versuchte er, den Abt zu unterstützen. »August Stanzinger ist ein mächtiger Mann in Rosenheim und hat einen großen Teil dazu beigetragen, dass wir heute mit so einer hohen Ausbeute vor die Schweden treten können.«
    Sie betraten das karg eingerichtete Arbeitszimmer des Abtes. Pater Franz sank hinter seinen Schreibtisch und rieb sich über die Stirn.
    »Und deshalb richten wir einen Unschuldigen hin? Stanzinger mag mächtig sein, aber er ist ein Mörder. Ich glaube dem alten Theo – und Marianne tut das auch. Ich kann es einfach nicht ertragen, sie enttäuschen zu müssen. Habe ich mir doch geschworen, immer für sie da zu sein und sie zu beschützen.«
    Pater Johannes setzte sich ihm gegenüber und blickte eine Weile nachdenklich auf den alten Dielenboden, der bereits einige schadhafte Stellen aufwies, die dringend ausgebessert werden müssten.
    »Und wenn wir beides tun?«
    »Wie beides?«
    »Na, wenn wir heute den Büttel seine Arbeit machen lassen und ihn dann anklagen, sobald die Schweden abgezogen sind?«
    Pater Franz schüttelte den Kopf.
    »Das können wir nicht tun. Erst bedienen wir uns seiner Hilfe, und danach treten wir ihn mit Füßen.«
    »Aber er könnte einen Unschuldigen hinrichten.« Johannes sah Franz ins Gesicht. »Er hat gegen die Gebote Gottes verstoßen, das können wir nicht einfach hinnehmen, auch wenn er uns jetzt aus der Klemme hilft. Wir dürfen auch seinen Mittäter nicht vergessen. Josef Miltstetter hat sich die Brauerei unrechtmäßig unter den Nagel gerissen, denn Anderl ist der wahre Erbe.«
    Pater Franz blickte auf.
    »Du hast recht, Johannes. Wir müssen etwas unternehmen. Die beiden Männer sind Mörder. Wenn die Sache mit den Schweden erledigt ist und Wrangel weiterzieht, dann werden wir die Anschuldigungen dem Bürgermeister mitteilen. Der alte Theo mag zwar etwas wunderlich sein, aber ich bin mir sicher, ihm wird mehr Glauben geschenkt als einem halbwüchsigen Knaben.«
    Pater Johannes erhob sich lächelnd.
    »Das wollte ich hören. Ich hatte schon fast Sorge, du hättest deinen Kampfgeist verloren.«
    »Nein, verloren habe ich ihn nicht, aber ich gebe zu, er ist ein wenig ins Wanken geraten. Am besten, wir schicken gleich einige Mönche zu Theos Hütte und holen ihn in den Schutz des Klosters. Er ist ein wichtiger Zeuge, auf den wir achten sollten.«
    Pater Johannes ging zur Tür.
    »Ich werde mich sofort darum kümmern.«
    *
    Marianne saß einige

Weitere Kostenlose Bücher