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Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
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Anhang, der zu keinem schönen Mädchen nein sagen kann, ist auch sehr nett, und sein Akzent ist sehr charmant. In seiner Nähe beginnen die Damen, albern zu kichern und mit den Augen zu klimpern. Angeblich sucht er jetzt auch nach einer Frau fürs Leben.«
    Sie blickte kurz auf, musterte Marianne von der Seite und warf ein himmelblaues Damastkleid zurück in die Kiste.
    »Albert und er sind auch anders als die feinen Herren. Sie vergnügen sich lieber mit den Soldaten und dem einfachen Volk im Tross, und nur selten sieht man die beiden auf den Feierlichkeiten der Generäle und Damen. Häufig trifft man ihn bei der Marketenderin Milli, die du ja bereits kennengelernt hast. Milli kennt im Tross jeder, denn sie ist die gute Seele unserer Stadt.«
    Marianne sah sie verwundert an.
    »Wieso Stadt?«
    »So sagen wir das immer«, erklärte Helene. »Wir nennen den Tross auch oft den Wurm, weil wir uns durch die Lande schlängeln. Obwohl ich Stadt besser finde. Es gibt bei uns Regeln wie in einer richtigen Stadt. Der Trosswaibl kümmert sich um das Lager, und der Profos ist für Recht und Gesetz zuständig. Es ist genau organisiert, wer wo sein Lager aufschlagen darf, und es wird auch Gericht abgehalten, sogar einen Hexenprozess hat es hier schon einmal gegeben.«
    Marianne wurde neugierig. Minnesänger hatten oft auf dem Marktplatz von solchen Dingen erzählt, von Frauen, die es angeblich mit dem Teufel trieben und auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden. Schaudernd hatte sie damals zugehört. In Rosenheim hatte es solch einen Prozess, seit sie denken konnte, nicht gegeben, und was eine Hexe genau war, wusste sie auch nicht. Selbst Pater Franz, den sie während der Beichte ins Vertrauen gezogen hatte, wusste nicht wirklich, ob es Hexen gab. Von den Verbrennungen und Verfolgungen hielt er nur wenig. Gott selbst würde über die Frauen richten, hatte er gesagt.
    Monatelang hatten sie nach der Geschichte des Minnesängers Alpträume geplagt, in denen die Menschen sie anstarrten, mit dem Finger auf sie zeigten und Flammen sie verschlangen.
    »War die Frau tatsächlich eine Hexe?«, fragte sie.
    Helene zuckte mit den Schultern.
    »Ich kannte sie kaum. Es hieß, sie hätte die Milch der Kühe vergiftet. Nachdem sie diese gemolken hatte, sind viele Leute krank geworden, und einige Kinder sind sogar gestorben. Einen Mann soll sie lahm gezaubert haben, und ihr ganzer Rücken soll von Hexenmalen übersät gewesen sein, was ja ein eindeutiges Merkmal für eine Hexe sein soll.«
    Die Magd rubbelte Mariannes Haare trocken. Sie hatte die ganze Zeit über schweigend zugehört. Marianne kam sich seltsam vor und schämte sich sogar ein wenig, denn noch nie war sie bedient worden. Das Mädchen legte das Leinentuch zur Seite und griff nach einer Bürste. Marianne legte ihr lächelnd die Hand auf den Arm. »Du hast genug getan, den Rest schaffe ich allein.«
    Irritiert schaute die Magd zu Helene.
    »Nicht doch«, sagte diese. »Es gehört sich nicht für eine feine Dame, sich selbst zu frisieren. Dafür ist Julia doch da. Sie ist dir zugeteilt worden und wird sich ab heute um dich kümmern.«
    Marianne blickte unsicher von Julia zu Helene.
    »Aber …«
    »Kein Aber«, fiel Helene ihr ins Wort und bedeutete Julia, weiterzumachen. »Ich bin jetzt für dich zuständig, und du wirst noch eine ganze Menge lernen müssen. Ab heute gehörst du zur Oberschicht und bist die Verlobte eines Wrangel.«
    Marianne fügte sich und ließ den Rest der Prozedur schweigend über sich ergehen. Julia und Helene schnürten sie in das Korsett. Sie zog den Bauch ein, jammerte aber nicht. Wie sie sich mit dem Ding mehr als drei Meter bewegen sollte, war ihr allerdings unklar, denn bereits im Stehen wurde ihr schwindelig, und schwarze Flecken begannen vor ihren Augen zu tanzen. Helene hatte sich für ein dunkelgrünes Damastkleid entschieden, das am Kragen mit weißer Spitze besetzt war. Der Stoff war weich und glänzend, kein Vergleich zu dem grob gewebten rauhen Stoff des Kleides, das Marianne getragen hatte.
    Ihr Haar wurde von Julia kunstvoll aufgesteckt und mit einem grünen Samtband verziert. Zufrieden musterte Helene ihr Werk, nachdem die Magd gegangen war.
    »Du bist wirklich hübsch, sogar noch schöner, als ich gedacht habe.«
    Marianne schaute skeptisch an sich hinunter.
    »Du glaubst mir nicht, oder?« Helene zog Marianne in den hinteren Teil des Zeltes. Neben der Schlafstatt stand ein großer Spiegel, vor dem Marianne staunend stehen blieb, denn so einen

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