Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Pestkind: Roman (German Edition)

Das Pestkind: Roman (German Edition)

Titel: Das Pestkind: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Steyer
Vom Netzwerk:
Stoffresten zusammengenäht, lagen wild durcheinander, und eine große, mit Schnitzereien verzierte Holztruhe stand an der gegenüberliegenden Wand. Der Eingang wurde von einem beigefarbenen Leinentuch verschlossen, und es duftete verführerisch nach gebratenen Eiern. Ihr Magen begann zu knurren. Sie atmete tief durch, stand auf und schob vorsichtig das Tuch zur Seite. Kühle Morgenluft empfing sie. Unweit vom Zelt brannte ein Lagerfeuer, auf dem eine ältere Frau die Eier briet. Grinsend winkte sie Marianne zu sich.
    »Guten Morgen, Kindchen. Da bist du ja endlich. Verschläfst uns noch den ganzen Tag. Hast du Hunger?«
    Vorsichtig trat Marianne näher.
    »Nun zier dich doch nicht so«, rief die korpulente Frau, die in einem seltsam fremd klingenden Dialekt sprach. Sie schaufelte die Eier auf einen Holzteller und hielt ihn Marianne hin.
    »Ich sehe dir doch an der Nasenspitze an, dass du hungrig bist. Also iss, solange es noch warm ist!«
    Marianne nahm ihr Frühstück entgegen, setzte sich auf einen umgestürzten Baumstamm und musterte ihre Gastgeberin näher.
    Die Frau trug ein weites braunes Leinenkleid und eine beigefarbene Schürze, die bereits einige Flecken aufwies. Ihr graues Haar hatte sie zusammengebunden und unter ein ebenfalls braunes Tuch geschoben. Ihr Gesicht hatte etwas von einem runzeligen Apfel, in dem große braune Augen lagen, die Wärme und Geborgenheit ausstrahlten.
    »Wer seid Ihr?«, fragte Marianne und fing zu essen an.
    »Mildred ist mein Taufname«, antwortete die Alte. »Aber eigentlich nennen mich alle nur Milli. Ich bin eine Marketenderin.«
    Marianne sah die Frau mit großen Augen an.
    Milli lachte laut auf.
    »Du weißt nicht, was eine Marketenderin ist, oder?«
    Marianne schüttelte den Kopf.
    Die Frau setzte sich neben sie.
    »Ich werde es dir erklären. Bist ein richtiges Stadtkind!«
    Marianne wusste nicht genau, was ein Stadtkind war und woran man es erkennen konnte, aber sie nahm an, dass sie ein solches war, immerhin war sie ja nie aus Rosenheim herausgekommen, und die wenigen ersten Jahre ihres Lebens, die sie auf dem Gutshof verbracht hatte, zählten in Millis Augen gewiss nicht.
    »Ich kümmere mich um das leibliche Wohl des Trosses. Zu mir kommen sie alle irgendwann einmal. Wenn sie sich die Zeit bei einem Becher Wein vertreiben wollen oder Ansprache brauchen, Frauen wie Männer. Ich versorge ihre Wunden und schicke nach der Hebamme, wenn ein Kind unterwegs ist. Manchmal schafft diese es nicht rechtzeitig, also hole eben ich das Würmchen auf die Welt. Ich besorge die unmöglichsten Dinge. Stoffe für die Zelte, Messer, Töpfe, Pfannen und Geschirr, auch Lebensmittel und Wein und sogar feinsten Tabak kann ich organisieren. Und wenn ein Kerl eine Hure sucht, dann bringe ich ihm eine. Für solche Dinge bin ich nämlich schon zu alt. Vor allem gesund müssen die Mädchen sein. Früher hatten es die jungen Dinger noch leicht, aber heute, seitdem die gefürchtete Franzosenkrankheit umgeht …«
    Milli winkte ab, musterte Marianne von oben bis unten und strich bewundernd über ihr schwarzes Haar.
    »So hübsch wie du müssen die Mädchen sein.«
    Marianne blickte errötend zu Boden. Die Alte schlug ihr lachend auf die Schulter.
    »Bist noch grün hinter den Ohren, was! Na, da hat sich unser lieber Albert immerhin ein ordentliches Mädchen ausgesucht. Für Huren hatte er sowieso nie etwas übrig. Bei ihm wirst du es gut haben.«
    »Guten Morgen, Milli«, unterbrach eine Frau die beiden.
    Marianne sah sie verwundert an. So eine Frisur hatte sie noch nie gesehen. Das rotblonde Haar der Frau war aufgesteckt, und Löckchen ringelten sich um ihr weißes Gesicht, aus dem große graue Augen sie freundlich, aber auch neugierig ansahen. Ihr Kleid war sonnengelb und schimmerte im Sonnenlicht. Aus welchem Stoff es auch immer gefertigt war, es sah bezaubernd aus und unterstrich die zarte Figur der Frau, die nicht viel älter als sie selbst sein konnte.
    Milli stand auf.
    »Guten Morgen, Helene«, begrüßte Milli die junge Frau eher kühl.
    »Ich soll die Neue zu Anna Margarethe bringen. Sie möchte sich Alberts Mitbringsel näher betrachten.«
    Milli blickte von Helene zu Marianne.
    »Als Mitbringsel wird sie also schon bezeichnet, wie ein Ding, das unser gnädiger Anführer gestohlen hat.«
    »So hat sie es gewiss nicht gemeint«, versuchte Helene Milli zu beruhigen.
    Die Marketenderin lachte laut auf.
    »Oh, doch, so hat sie es gemeint, da kannst du dir sicher sein.«
    Marianne sah die

Weitere Kostenlose Bücher