Das Pestkind: Roman (German Edition)
seltsame Sprache du doch sprichst. Was hat uns Albert nur angetan.«
Marianne antwortete nicht. Wut stieg in ihr auf, und sie ballte die Fäuste. Diese Frau war arrogant und hochnäsig. Keiner fragte, was Albert ihr angetan hatte. Er hatte ihr ihre Heimat und ihren geliebten Bruder weggenommen, sie herausgerissen aus ihrem Leben.
Die Frau watschelte um Marianne herum.
»Nun gut«, sagte sie und blieb direkt vor Marianne stehen. »Albert hat mich darum gebeten, dass ich dich unter meine Fittiche nehme. Und diesen Wunsch werde ich meinem Schwager natürlich erfüllen. Helene wird dich jetzt mitnehmen und dir anständige Kleidung besorgen, denn so kann die zukünftige Frau Albert Wrangels unmöglich herumlaufen. Auch ist dir der weitere Kontakt zu den Trossleuten außerhalb unseres Lagers nicht mehr gestattet. Wir bleiben hier lieber unter unseresgleichen, wenn du verstehst.«
Mariannes Herz begann wild zu schlagen. Die zukünftige Frau hatte sie gesagt. Sie sollte diesen Albert also tatsächlich heiraten, den Mann, der ihr das Zuhause weggenommen hatte. Dazu war sie auch noch gefangen in dieser weißen Zeltstadt, inmitten einer bunten Trosswelt, die sie eben erst kennengelernt hatte und die ihr bei weitem besser gefiel als dieses pompöse Zelt mit all seinem Luxus. Milli war nett und herzlich, diese Frauen wirkten alle kühl und abweisend.
Anna Margarethe wandte sich an Helene.
»Ihr werdet Euch um sie kümmern, meine Liebe. Seht zu, dass sie aus diesem schrecklichen Kleid herauskommt, und macht um Gottes willen irgendetwas mit ihrem Haar.«
»Sehr wohl, Herrin.« Helene neigte den Kopf.
Anna Margarethe drehte sich um und musterte noch einmal den Schrank.
»Ich denke, ich werde ihn behalten, oder was meint ihr?«
Sie blickte in die Runde. Das Gespräch war beendet.
Draußen steuerte Helene ein Zelt an, das etwas abseits von den anderen lag und gut um die Hälfte kleiner war.
»Redet sie immer so mit dir?«, fragte Marianne neugierig.
»Ja, meistens. Das ist aber auch ihr gutes Recht, immerhin bin ich ihre Zofe, jedenfalls eine von ihnen.«
Im Inneren des Zeltes forderte Helene Marianne auf, sich auszuziehen, steuerte zielstrebig auf eine von drei großen Eichentruhen zu und öffnete sie.
Innerhalb kürzester Zeit war der komplette Boden des Zeltes von Schleiern, Überkleidern, Röcken und Miedern übersät, und Strümpfe und bunte Haarbänder flogen, genauso wie hübsch bestickte Hauben unterschiedlichster Formen und Farben, durch die Luft. Marianne blickte sich staunend um, während sie an den Fäden ihres Mieders nestelte. So viele verschiedene Stoffe und Muster hatte sie noch nie im Leben gesehen.
Helene musterte sie prüfend.
»Bist sehr schmal gebaut, kaum Brüste.« Marianne errötete. So offen hatte sich noch nie jemand über ihren Körper geäußert.
Helene zauberte ein Korsett aus der Truhe und hielt es Marianne an den Körper.
»Das könnte passen, wenn wir dich ordentlich einschnüren, dann könnten sogar halbwegs weibliche Rundungen zustande kommen.«
Marianne wollte keine Rundungen haben und musterte das Korsett skeptisch.
»Ich weiß nicht. Kann ich nicht lieber mein Hemd anlassen?« Helene lachte laut auf.
»Gott bewahre, Kind. Diesen schrecklichen Fetzen geben wir den Armen. Du wirst die Frau von Albert Wrangel, das ist nicht irgendjemand.«
»Und wenn ich gar nicht seine Frau werden will?«, erwiderte Marianne, während Helene ihr energisch das Hemd über den Kopf zog.
Helene sah sie verwundert an.
»Guter Gott, Mädchen, du weißt nicht, was du da redest. Er ist die beste Partie im Tross. Alle Frauen wollen ihn heiraten. Du hast unglaubliches Glück.« Sie hielt kurz inne und musterte Mariannes Gesicht. »Bist ja auch ganz hübsch, wenn wir die Dreckschicht erst einmal abgewaschen haben.«
Wie aufs Stichwort betrat eine Magd mit einem Eimer Wasser in der Hand das Zelt. Erschrocken bedeckte Marianne ihre Blöße.
Die Magd zauberte ein Stück Seife aus ihrer Schürze, wusch Marianne die Haare und schrubbte sie mit einem rauhen Lappen so lange, bis sich Mariannes Haut rötete.
Helene war unterdessen immer noch auf der Suche nach dem passenden Kleid, und während sie in den Truhen herumwühlte, redete sie ununterbrochen.
»Albert gilt als sanftmütig und zärtlich. Er ist einer der wenigen Männer, die den Krieg hassen. Keiner würde das natürlich offen sagen, besonders weil sein Bruder der General ist, aber Albert möchte lieber Frieden haben. Claude, sein französischer
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