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Das Pesttuch

Das Pesttuch

Titel: Das Pesttuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: brooks
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sie ständig an der schleimigen Felswand Halt suchen. Während ihre Muskeln vor Anstrengung schmerzten und ihr die stinkende Luft die Brust verbrannte, musste sich Aphra mit allerletzter Willenskraft g e zwungen haben, nicht ohnmächtig zu werden. Hätte sie das Bewusstsein verloren, wäre sie erstickt und ertrunken.
    Die Frau, die man am nächsten Morgen aus jener Grube zerrte und auf den Dorfanger brachte, war nicht Aphra, sondern ein lallendes, gebrochenes E t was. Die zwei jungen Männer hatten versucht, sie zu säubern, indem sie eimerweise eiskaltes Brunne n wasser über sie geschüttet hatten. Nun war sie klatschnass und zitterte, stank aber so sehr, dass e i nem noch auf der anderen Seite des Angers schlecht wurde. Überall, wo die Haut die ganze Nacht mit der Flüssigkeit in Berührung gekommen war, waren Bl a sen aufgebrochen. Zum Stehen war sie viel zu schwach und erschöpft. Sie lag einfach zusamme n gekrümmt im Gras und wimmerte wie ein Neugeb o renes.
    Elinor weinte bei ihrem Anblick. Michael Mo m pellion ballte d ie Hand zur Faust und ging auf Brand und Robert los. Ich dachte schon, er wollte sie schl a gen. Brand war vor Schuldgefühlen über seine Tat weiß im Gesicht. Sogar Robert Snee, ein wesentlich härterer Mann, schaute schuldbewusst zu Boden.
    Schon seit langem hatte ich eine Abneigung gegen die Schauspiele, die auf diesem Anger aufgeführt wurden, wenn man unsere Mitbewohner wegen Fl u chen oder Zank oder gottlosem Benehmen in den Pranger gesperrt hatte. Sicher war unser Schandpfahl weitaus weniger Furcht erregend wie der Pranger in Bakewell. Wer in jener Marktgemeinde, wo die Le u te ohne tiefe Bindungen aneinander kamen und gi n gen, am Pranger stand, wurde zur Zielscheibe von verfaultem Obst, Fischköpfen oder sonstigen wide r lichen Dingen, die dem Pöbel in die Hände fielen. Eine Frau, die man dort wegen Ehebruchs angekettet hatte, hatte durch ein gefährliches Geschoss ein Auge verloren. In einem kleinen Ort wie unserem konnte man einen Nachbarn nicht so behandeln. Aber allein dass man mit Händen und Füßen in jenem zersplitte r ten Holz steckte, bei glühender Hitze oder kaltem Nieselregen, und stundenlang missbilligende Blicke und die Pfiffe ungezogener Kinder ertragen musste, allein das war für mich erniedrigender, als es die meisten verdienten. Sogar Reverend Stanley forderte für Sünder nur selten den Pranger, während sich Mi s ter Mompellion sogar heftig dagegen ausgesprochen hatte.
    Einige Dutzend waren zusammengelaufen, um Aphras Bestrafung mitanzusehen. Angesichts uns e res dezimierten Zustands eine durchaus große A n zahl. David, der Witwer von Margaret Livesedge, war da. Zweifelsohne erinnerte er sich noch allzu gut an die großen Hoffnungen, die seine Frau auf das »Chaldäer-Amulett« gesetzt hatte und wie grausam diese zerstört worden waren, als ihr Kind mit diesem Halsband starb. Auch Kate Talbot war da, deren te u rer Abracadabra-Zauberspruch ihr den Ehemann nicht hatte retten können.
    Die Merrill-Kinder und die Mowbrays waren da. Einfaches Volk auf der Suche nach einfacher G e rechtigkeit. Ein paar andere ebenfalls. Sollte der so genannte »Geist« auch sie um ihre Kupfermünzen geprellt haben, so waren nicht alle bereit, dies z u zugeben.
    Vermutlich hatten sich diese Ankläger in Erwa r tung einer harten Bestrafung versammelt, aber als Brand und Robert Aphra in ihrem derart erbärml i chen und elenden Zustand anschleppten, schien allen der Appetit darauf vergangen zu sein. Klammhei m lich verschwand einer nach dem anderen. Der Herr Pfarrer kauerte sich neben Aphra, beugte den Kopf dicht zu ihr hinunter und redete leise auf sie ein. Er bat sie, das betrügerisch erworbene Geld zurückz u geben, und legte ihr eine Buße auf. Ob sie von seinen Worten irgendetwas verstand, konnte ich nicht sagen. Der Herr Pfarrer bat um einen Karren, um sie nach Hause zu schaffen. Elinor und ich fuhren mit. Wir mussten sie aufrecht halten, so schwach war sie. Da sie nach ihrer Tochter Faith schrie, hielten wir bei meiner Kate an, um sie zu holen. Den Rest des W e ges kauerte das Kind mit weit aufgerissenen Augen stumm neben seiner Mutter und klammerte sich an ihr Bein.
    Drinnen in Aphras Hütte erhitzten wir Wasser und versuchten, sie zu baden, ihr den Kot unter den Fi n gernägeln herauszukratzen und ihre suppenden Wu n den zu salben. Kurze Zeit ließ sie unsere Pflege über sich ergehen, aber mit der allmählichen Rückkehr ihres Verstandes flammte auch ihr Zorn wieder auf.

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