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Das Pesttuch

Das Pesttuch

Titel: Das Pesttuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: brooks
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das Leben gekostet. Wie sühnt man für ein Leben? Auge um Auge, sagt die Bibel. Aber was ist das in so einem Fall? Was konnte sie als Sühne für das Leben geben, das wegen ihrer Taten nie gelebt werden konnte? Weil Lust die Urs a che für diese Sünde gewesen war, hielt ich eine Sü h ne in der Form für nötig, dass sie einen Teil ihres Lebens mit ungestillten Lüsten leben sollte. Je mehr ich sie dazu bringen könnte, mich zu lieben, umso mehr würde vielleicht das Maß ihrer Buße ihre Sü n de aufheben.«
    »Aber«, stammelte ich, »aber ich habe doch am Totenbett von Jakob Merrill gehört, wie du diesen Mann getröstet hast. Indem du ihm erzählt hast, Gott habe uns mit unserer Lust erschaffen, deshalb g e währe er Verständnis und Vergebung … Und als du Albion Samweys mit Jane Martin überrascht hast, hast du dir Vorwürfe gemacht, weil du dieses Mä d chen so hart …«
    »Anna«, unterbrach er mich. Mittlerweile klang seine Stimme hart. Er sprach mit mir, als würde seine Geduld schwinden, als achte das Kind, das er unte r wies, nicht ordentlich auf den Sinn des Gesagten. »Als ich so zu Jakob Merrill sprach, geschah das im sicheren Wissen, dass er bis zum Einbruch der Dämmerung tot sein würde. Was hätte es da genutzt, von Sühne zu sprechen? Welche Sühne hätte sein zerstörter Körper leisten können? Und was Jane Ma r tin betrifft: Wenn sie mir so wie meine Elinor am Herzen gelegen wäre, hätte ich nie nachgegeben, sondern sie bestraft und bestraft, körperlich und gei s tig, bis ihre Seele rein gewesen wäre. Siehst du das denn nicht ein? Bei meiner Elinor musste ich sicher sein, dass sie rein war, sonst hätte ich riskiert, sie in Ewigkeit zu verlieren.«
    »Und du?«, fragte ich mit leiser, erstickter Sti m me.
    »Ich?« Er lachte. »Ich nahm mir ein Beispiel an den Papisten. Weißt du denn nicht, dass Frauen der Bodensatz im Misthaufen des Teufels sind? Weißt du, wie die Papisten ihre im Zölibat Lebenden le h ren, wie sie ihrer Gelüste Herr werden? Wenn sie eine Frau haben wollen, zwingen sie sich dazu, nur noch an ihre üblen Körperflüssigkeiten zu denken. Ich gestattete mir keinen Blick auf Elinor, bei dem ich ihr schönes Gesicht wahrnahm oder ihren fr i schen Duft einatmete. Nein! Bei jedem Blick auf di e ses reizende Geschöpf zwang ich mich, an Gallensaft und Eiter zu denken. Ich beschäftigte mich mit dem klebrigen Wachs tief drinnen in ihren Ohren und dem grünen Rotz in ihrer Nase und dem stinkenden Zeug in ihrem Nachttopf …«
    »Genug!«, schrie ich und hielt mir die Ohren zu. Mir war übel.
    Sein Körper ist stark, und doch befürchte ich, dass sein Wille weitaus stärker ist. Er kann ihn zu Taten treiben, die kein normaler Mensch fertig bringt. Glaube mir, ich habe es schon gesehen, in guten wie in schlechten Zeiten. Das hatte Elinor vor vielen M o naten zu mir gesagt. Jetzt wusste ich, was sie damit gemeint hatte.
    Inzwischen kniete er auf dem Bett. Das Licht u m rahmte seinen Körper. Seine Stimme hatte einen ei n dringlichen Ton angenommen, den ich von seinen Predigten kannte. »Weißt du denn nicht, dass ich als Ehemann im häuslichen Königreich das Ebenbild Gottes bin? Habe nicht ich die Hure aus dem Garten Eden vertrieben? Ich habe meine Lust in heiliges Feuer verwandelt! Ich brannte aus Leidenschaft für Gott!«
    Und dann lachte er, ein freudloses Lachen, fiel rücklings auf den Strohsack und schloss die Augen. Sein Gesicht zuckte, als verspürte er plötzlich große Schmerzen. Seine Stimme sank zu einem heiseren Flüstern herab. »Und nun sieht es so aus, als gäbe es keinen Gott und als hätte ich mich geirrt. In allem, was ich von Elinor gefordert hatte und von mir. Denn natürlich habe ich sie geliebt und begehrt, egal, wie sehr ich meine eigenen Gefühle zu unterdrücken ve r suchte. Darin habe ich geirrt. Noch mehr aber in a l lem, was ich von diesem Dorf gefordert habe. Und das ist das Schlimmste. Meinetwegen sind viele tot, die sich sonst vielleicht hätten retten können. Wer war ich, dass ich sie in den Untergang geführt habe? Ich dachte, ich spräche f ür Gott. Mein ganzes Leben, all meine Taten, jedes Wort, jedes Gefühl beruhte auf einer Lüge. Falsch, in jeder Hinsicht. Aber nun habe ich wenigstens endlich gelernt, das zu tun, was mir gefällt!«
    Er streckte sich nach mir aus, aber ich war schne l ler. Ich entglitt ihm und rollte mich vom Lager. Blindlings packte ich meine nächstbesten Kleidung s stücke und floh aus dem Zimmer. Während ich die

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