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Das Pesttuch

Das Pesttuch

Titel: Das Pesttuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: brooks
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bald wieder fast gesund sein.«
    »Nein, Mistress, ich kenne die Anzeichen dieser verfluchten Krankheit. Machen Sie nur, dass Sie von hier fortkommen, Ihren Kindern zuliebe.«
    Daraufhin ging ich, allerdings nur in mein e i genes Zimmer, um meine Decke und mein Kissen zu holen. Das eine, um den Zitternden zu wärmen, und das a n dere, um es gegen das klatschnasse Etwas unter se i nem Kopf auszutauschen. Er stöhnte, als ich wieder die Dachkammer betrat. Beim Versuch, ihn zu h e ben, um das Kissen an Ort und Stelle zu bringen, schrie er jämmerlich auf. Jener monströse Furunkel schmerzte schrecklich. Dann platzte dieses lila Ding urplötzlich wie eine Erbsenschote auf, und zähflüss i ger Eiter quoll heraus, ganz mit abgestorbenen Fleischfetzen durchsetzt. Verschwunden war der ekelhaft süßliche Apfelgeruch, stattdessen machte sich ein Gestank nach Wochen altem Fisch breit. Würgend beeilte ich mich, dem armen Mann die Schweinerei von Gesicht und Schulter zu wischen und seine suppende Wunde zu stillen.
    »Um Gottes willen, Anna« – mit letzter Kraft, die er von Gott weiß woher holte, mühte sich seine he i sere Kehle ab. Seine Stimme brach wie bei e i nem Buben, doch mehr als ein Flüstern kam nicht heraus – »mach, dass du hier fortkommst! Du kannst mir nicht helfen! Kümmere dich um dich!«
    In meiner Angst, seine Erregung könnte ihn in di e sem geschwächten Zustand umbringen, raffte ich das Bettzeug zusammen und verließ ihn. Drunten b e grüßten mich zwei entsetzte Gesichter. Während J a mie nur die Augen aufriss, ohne zu begreifen, wusste die schreckensbleiche Jane, was kommen würde. Bei meinem Erscheinen hatte sie bereits ihre Schürze ausgezogen, um uns für den heutigen Tag zu verla s sen, ihre Hand lag schon auf dem Türgriff. »Ich bitte dich, bleib bei den Kindern, während ich den Herrn Pfarrer hole, denn ich befürchte, dass Mister Viccars’ Zustand ernst ist«, sagte ich. Bei diesen Worten rang sie die Hände. Ich erkannte, wie ihr Mädchenherz mit ihrem purit a nischen Pflichtbewusstsein kämpfte, wartete aber nicht, bis ich sah, wer diesen Kampf gewann, so n dern eilte einfach an ihr vorbei und ließ das Bettzeug im Vorübergehen im Vorhof fallen.
    Da ich im Laufschritt die Augen auf den Weg he f tete, sah ich nicht den Herrn Pfarrer, der auf dem Rückweg von einer Besorgung im nahen Hathersage auf Anteros angeritten kam. Aber er sah mich, drehte sich um, wendete das mächtige Pferd und lenkte es neben mich.
    »Gütiger Himmel, Anna, was ist passiert?«, rief er, wobei er aus dem Sattel glitt und mir zum Halt eine Hand reichte, während ich keuchend nach Luft rang. Stoßweise berichtete ich ihm, wie ernst George Vi c cars’ Zustand war. »Das tut mir aber ehrlich Leid«, sagte der Herr Pfarrer. Ohne weitere Worte zu verli e ren, hob er mich aufs Pferd und stieg wieder auf.
    Noch immer steht mir ganz lebendig vor Augen, welch ein Mann er an jenem Tage war. Ich weiß noch genau, wie selbstverständlich er die S a che in die Hand nahm und zuerst mich und dann den armen George Viccars beruhigte. Wie er damals unermü d lich den ganzen Nachmittag und auch noch den fo l genden Tag an seinem Bette weilte, zuerst im Kampf um den Körper dieses Mannes, und, als es eindeutig hoffnungslos wurde, im Kampf um seine Seele. George Viccars murmelte und delirierte, tobte, fluc h te und schrie vor Schmerz. Die meisten seiner Worte waren unve r ständlich, aber von Zeit zu Zeit hörte er auf, sich auf seinem Lager herumzuwerfen, riss die Augen weit auf und rasselte: »Verbrennt alles! Ve r brennt alles! Um Gottes willen, verbrennt alles!« Zu Beginn der zweiten Nacht schlug er nicht mehr um sich, sondern lag einfach da und starrte in die Luft, gefangen i n einer Art stummem Rin g kampf. Sein ganzer Mund war mit Schwären ve r krustet. Stündlich trä u felte ich ein wenig Wasser auf seine Lippen und tupfte sie ab. Daraufhin schaute er mich mit verzer r ten Augenbrauen an, so sehr quälte er sich, seinen Dank auszudrücken. Im weiteren Verlauf der Nacht war klar, dass sich sein Zustand verschlechterte, aber Mister Mo m pellion wollte nicht von ihm weichen, nicht ei n mal, als George Viccars gegen Morgen in einen unruhigen Schlaf fiel. Er atmete flach und u n regelmäßig. Veilchenblaues Licht drang durchs Dachfenster, und die Lerchen sangen. Ich halte mich gerne an dem Gedanken fest, dass ihm dieser liebl i che Klang vielleicht doch ein klein wenig Erleicht e rung in seinem langen Delirium gebracht haben

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