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Das Pesttuch

Das Pesttuch

Titel: Das Pesttuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: brooks
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Bienenwachs in den Einband reibt. Und doch waren bei diesen einfachen Arbe i ten lediglich die Hände beschäftigt, während die Gedanken frei schweifen durften. Manchmal b e trac htete ich beim Polieren der Mom pellionschen Damaszener Truhe eingehend die feinen Einleg e arbeiten und dachte dabei an den Handwerker, der sie in fernen Landen gefertigt hatte; dann versuchte ich, mir sein Leben unter einer heißen Sonne und einem fremden Gott vorzustellen. George Viccars besaß einen prächtigen und sch ö nen Stoff, den er Damast nannte. Hatte dieser Stoffballen etwa im selben Basar wie die Truhe gestanden und diese l be lange Reise von der Wüste in dieses feuchte Ber g land g e macht? Der Gedanke an George Viccars riss mich aus meiner Tagträumerei und erinnerte mich daran, dass ich das Problem mit dem Kleid nicht bei Mistress Mompellion zur Sprache g e bracht hatte. Erst dann merkte ich, dass schon beinahe Mittag war. Tom würde schrecklich Hunger haben und nach se i ner Milch jammern. Also verließ ich hastig das Pfarrhaus. Die Sache mit dem Kleid und seiner Schicklichkeit könnte man auch zu einem späteren Zeitpunkt erörtern, dachte ich.
    Aber dieser spätere Zeitpunkt sollte nie ko m men, denn bei meiner Ankunft an der Kate herrschte dri n nen dieselbe Stille wie in den T a gen, bevor George Viccars zu unserem Haushalt gestoßen war. In der Küche fand ich eine mürr i sche Jane Martin vor, die Tom mit einem Stück Pfeilwurz und Wasser ablen k te, während Jamie bedrückt allein neben dem Herd spielte, wo er aus Kienholz Türme baute und dabei ringsherum Kienspäne verstreute. George Viccars’ Schneiderwinkel war noch so, wie ich ihn am Mo r gen verlassen hatte: alle Garne und Schnittmuster ordentlich gestapelt und seit letzter Nacht unb e rührt. Die Eier, die ich für ihn dagelassen hatte, lagen i m mer noch auf seinem Felleisen. Bei me i nem Anblick wand sich Tom in Jane Martins Armen und sperrte wie ein Vogeljunges seinen zahnlosen Mund weit auf. Ich packte ihn und le g te ihn an die Brust, ehe ich mich nach George Viccars erkundigte.
    »Ich habe ihn nicht gesehen. Ich dachte, er sei schon ganz früh zu den Hadfields rüber.«
    »Aber sein Frühstück ist doch unberührt«, erw i derte ich. Jane Martin zuckte die Schultern. Durch ihr Verhalten hatte sie klar gemacht, dass sie die G e genwart eines männlichen Untermieters in diesem Hause nicht guthieß. Da uns aber Hochwürden Mompellion George Viccars g e schickt hatte, konnte sie nicht offen dagegen pr o testieren.
    »Er in Betti«, sagte Jamie verzweifelt. »Ich gingst rauf, ihn suchen, aber er schreit, › Geh weg ‹ .«
    Daraus schloss ich, dass George Viccars tatsäc h lich krank sein musste. Kaum hatte ich Tom fertig gefüttert, holte ich einen Krug frisches Wasser, schnitt eine Scheibe Brot ab und kletterte zu George Viccars’ Dachkammer hinauf. Schon beim ersten Tritt auf die Speicherleiter konnte ich ihn stöhnen hören. In meiner Sorge vergaß ich zu klo p fen und öffnete einfach die Luke zu dem niedrigen Raum.
    Beinahe hätte ich vor Entsetzen den Krug fallen lassen. Auf der Pritsche vor mir lag nicht mehr jenes hübsche junge Gesicht vom Vorabend. Ein Klumpen von der Größe eines neugeborenen Ferkels drückte George Viccars’ Kopf zur Seite, eine glänzende lila-gelbe Beule aus pulsierendem Fleisch. Wegen dieser Wucherung wandte er mir sein Gesicht nur halb zu. Es war erhitzt und tiefrot, besser gesagt, es hatte Fl e cken, die sich wie die Blätter eines Rosenkranzes unter seiner Haut abzeichneten. Seine blonden Haare lagen ihm als dunkelnasse Masse auf dem Kopf, und sein Kissen war schweißgetränkt. Ein süßlich st e chender Geruch durchzog die Dachkammer, ein G e ruch wie nach fauligen Äpfeln.
    »Bitte, Wasser«, flüsterte er. Ich hielt ihm den B e cher an den ausgedörrten Mund, und er trank gierig mit schmerzverzerrtem Gesicht, so musste er sich anstrengen. Erst als Schüttelfrost und he f tiges Niesen seinen Körper beutelten, hielt er im Trinken inne. Wieder und wieder goss ich ein, bis der Krug leer war. »Danke«, keuchte er, »aber jetzt flehe ich Sie an, gehen Sie weg, ehe diese üble Seuche Sie a n steckt.«
    »Nein«, sagte ich, »erst muss ich dafür sorgen, dass es Ihnen besser geht.«
    »Mistress, das kann inzwischen außer dem Priester keiner mehr. Ich flehe Sie an, holen Sie Mompellion, falls er zu mir zu kommen wagt.«
    »Sagen Sie so etwas nicht!«, schalt ich ihn. »Di e ses Fieber wird sinken, und Sie werden schon

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