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Das Pesttuch

Das Pesttuch

Titel: Das Pesttuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: brooks
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hielt Elinor meine Hand zurück. »Und was ist damit, Anna? Was sollen wir damit machen?« Sie hielt mir den Schlafmohn hin. »Die Entscheidung liegt bei dir.«
    Ich spürte Panik in mir aufsteigen. »Aber die brauchen wir doch sicher, um den vielen Betroffenen hier beizustehen«, sagte ich, obwohl mir dabei sofort eher meine eigenen Bedürfnisse durch den Kopf g e schossen waren als die der Sterbenden.
    »Anna, die Gowdies waren sich der Gefahren di e ser Pflanze wohl bewusst. Sie haben hier nur so viel, um bei wenigen schweren Fällen Erleichterung zu bringen. Wie sollen wir entscheiden, wer leiden muss und wessen Schmerzen gelindert werden?«
    Wortlos griff ich nach dem Bündel und wollte es eigentlich ins Feuer werfen, merkte aber, dass ich nicht genug Willen besaß, die Hand zu öffnen. Ich kratzte mit dem Daumennagel über eine noch grüne Samenkapsel und sah, wie aus dem Einschnitt lan g sam der weiße Saft quoll. Am liebsten hätte ich me i ne Zunge darauf gelegt, die bittere Flüssigkeit aufg e leckt und ihre süße Wirkung verspürt. Elinor stand schweigend da und wartete. Ich versuchte, in ihren Augen zu lesen, aber sie wandte sich ab.
    Wie sollte ich mich den kommenden Tagen und Nächten stellen? Nichts sonst würde mir Erleicht e rung verschaffen. In beiden Händen hielt ich meine einzige Chance, unser Dorf und seine Todesqualen hinter mir zu lassen. Aber dann begriff ich, dass dies nicht ganz der Wahrheit entsprach. Da war noch u n sere Arbeit. Heute Nachmittag hatte ich erlebt, dass es möglich war, mich ganz darin zu verlieren. Und doch war dieser Verlust d es eigenen Ichs kein selbs t süchtiges Vergessen. Aus diesem Lernen und seiner praktischen Anwe n dung könnte viel Gutes kommen. Daher packte ich das Bündel und warf es ins Feuer. Einen Augenblick zischte der Saft auf, dann platzten die Kapseln. Ihre winzigen Samenkörner ergossen sich in einem wa h ren Regen zwischen die Asche und verschwanden ins Nichts.
    Als wir die störrische Türe hinter uns schlossen, war der Wind eingeschlafen. Die Luft wirkte milder. Ich würde versuchen, so zu sein, wie Elinor es wünschte. Und im Falle eines Scheiterns hatte ich aus unserem heutigen Tagewerk genug gelernt, um zu wissen, wo ich nach den blassgrünen Moh n schösslingen suchen musste, wenn sie sich im näch s ten Frühling durch den Boden im Garten der Go w dies bohrten.

 
    Gleich denen, die in die Grube fahren
     
    Al s wir uns dem Pfarrhaus näherten, sahen wir Mi s ter Mompellion ohne Rock im Kirchhof stehen. Se i ne weiten weißen Hemdsärmel hatte er über die muskulösen Unterarme aufgekrempelt, seine Haare waren nass geschwitzt. Er hob Gräber aus. Rings um ihn standen schon drei lange Gruben offen, an der vierten arbeitete er gerade.
    Rasch lief Elinor zu ihm und wollte ihm die Stirn abwischen, aber er trat einen Schritt zurück und win k te ihre Hand fort. Vor Erschöpfung war er ganz grau im Gesicht und lehnte sich schwer auf den Sp a ten.
    Sie beschwor ihn aufzuhören und sich auszuruhen, aber er schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht aufh ö ren. Wir brauchen heute sechs Gräber, und eines d a von für den armen John Millstone .« Unser betagter Küster war heute Morgen gestorben. Der Pfarrer ha t te ihn gefunden, wie er halb drinnen, halb vor dem Grab lag, an dem er noch gearbeitet hatte. »Sein Herz hat versagt. Er war zu alt für die schwere Arbeit, die ihm in jüngster Zeit aufgebürdet wurde.«
    Bei einem Blick auf Mister Mompellion befürcht e te ich, auch er könnte zusammenbrechen. Offensich t lich hatte er die letzte Nacht nicht geschlafen, so n dern war von einem Totenbett ans nächste geeilt. Sein Versprechen, keiner müsse allein sterben, war eine schwere Last für ihn geworden. Eines war klar: Er würde es nicht überleben, wenn er nun auch noch versuchte, die Arbeit des Küsters zu übernehmen. Ich eilte in die Küche, wärmte ihm einen Becher mit bi t terem Kräutersud a uf und brachte ihn hinaus, wo er bis zum Bauch im Dreck stand.
    »Sir, diese Arbeit schickt sich nicht für Sie«, sagte ich. »Lassen Sie mich dazu einen der Männer aus der Hauertaverne holen.«
    »Und wer wird kommen, Anna?« Er legte sich e i ne Hand in den Rücken. Beim Aufrichten zuckte er zusammen. »Die Bergleute versuchen alles, um g e nug Erz aus ihrer Ader zu holen, damit ihr Anbruch nicht eingezogen wird. Die Bauern werden immer weniger, sodass sie weder Getreide ernten noch ihr Vieh melken können. Wie könnte ich ihnen da noch diese

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