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Das Pesttuch

Das Pesttuch

Titel: Das Pesttuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: brooks
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von Chatsworth ve r hungert. Getreu seinem Versprechen versorgte er uns weiterhin. Jeden Tag kamen die Fuhrleute mit ihrer Ladung zum Grenzstein oder an die kleine Quelle, die bei uns inzwischen nur noch Mompellions Well hieß. Von den Bradfords, die sicher in ihrem Oxfo r der Hafen saßen, hätten wir uns wenigstens ein kle i nes Zeichen Mitgefühl erwartet, aber von ihnen e r hielten wir weder irgendein Almosen, g e schweige denn ein mitfühlendes Wort.
    Drinnen in der Pfarrküche sah es allmählich wie in einem Alchemistenkabinett aus. Saft von gehackten Blättern tropfte a uf meine schön geschrubbte Tisc h platte und färbte das gebleichte Holz grasgrün. Das regelmäßige Schneidegeräusch meines eigenen Me s sers bestimmte meine Vormittage und verschmolz für mich zu einer hoffnungsvollen Musik der Hei l kunst, die Elinor nicht mehr ganz fremd war. Beim Studium diverser Bücher las sie sich die Augen rot.
    Hauptsächlich aber lernten wir aus der praktischen Anwendung, durch unsere Versuche, die pflanzl i chen Heilkräfte auf diese oder jene Weise zu extr a hieren. Einige Blätter weichte ich in zähflüssigem Ö l ein, andere in stechendem Alkohol und wieder and e re nur in sauberem Wasser. Dann wartete ich ab, mit welchem Element die besten Ergebnisse erzielt wu r den. Viele Vormittage arbeitete Elinor Seite an Seite mit mir. Da ihre zarte Haut von den Pflanzensäften schnell Flecken bekam, sah es manchmal aus, als trüge sie blassbraune Handschuhe. Aus unseren g e trockneten Kräutervorräten kochten wir Tees. Wenn sie zu bitter waren, träufelten wir löffelweise dicken Honig hinein und machten daraus Sirup. Einige Tees verdampften wir zu kräftigen Destillaten, da wir g e merkt hatten, dass viele Leute lieber kleine Mengen tranken als große. Und dann machte ich mich wieder ans Kleinhacken. Bündelweise hatten wir dem gefr o renen Boden Wurzeln abgetrotzt. Einige häufte ich in Tontöpfe und bedeckte sie zum Durchziehen mit reichlich Öl . Sobald die Heilkraft einer Pflanze me i ner Meinung nach erschöpft war, griff ich mit den Händen in den seidigen Brei und knetete so lange brockenweise Bienenwachs hinein, bis ich eine g e schmeidige Salbe zum Auftragen auf entzündete Pestbeulen hatte. Unsere Arbeit verfolgte zwei Ziele: erstens die Leiden der bereits Erkrankten zu lindern und zweitens die Abwehrkräfte der Gesunden zu stärken. Letzteres war zwar weitaus wichtiger, der Erfolg jedoch umso ungewisser.
    Elinor und ich verteilten unsere Präparate und ve r suchten den Leuten zu zeigen, wie sie die frischen Sprossen wilder Blätter finden und erkennen kön n ten, die sie zur Kräftigung ihrer Gesundheit essen sollten. Dabei lernten wir auch vieles über die Lind e rung normaler Gebrechen und Verletzungen. Obwohl wir unsere Hauptarbeit nur ungern unterbrachen, wandte man sich immer öfter wegen Präparaten an uns, die früher die Gowdies so bereitwillig geliefert hatten. Nach kurzer Zeit begannen wir, uns einiges von ihrem Wissen anzueignen: dass eine Mischung aus König s kerze und Raute, Süßdolde und Senföl einen ausgezeichneten Hustensirup ergibt; dass We i denrinde n sud Gelenkschmerzen und Fieber lindert; dass zu e i nem grünen Pflaster zerstoßener Heilziest die Heilung von Wunden und Abschürfungen b e schleunigt. Auch in dieser Arbeit lag etwas Befried i gendes, brachte sie doch bei kleineren Verletzungen Trost, Linderung und Heilung.
    Aber auf unseren sehnlichsten Wunsch mussten wir warten. Denn eines war uns klar: Möglicherweise könnten wir erst in vielen Wochen ein Abnehmen der Neuerkrankungen beobachten, das auf unsere Bem ü hungen zurückging. Als die Tage länger wurden, verbrachten wir viel Zeit bei den Gowdies. Wir ve r suchten, den Pflanzplan des Arzneigartens zu begre i fen, studierten die Samenpäckchen, um herauszufi n den, was welche Pflanze enthielt, und bereiteten den Boden vor, damit uns der Vorrat an stärkenden Krä u tern auch künftig nicht ausging.
    Nur sonntags unterbrachen wir unseren stetigen Kreislauf aus Sammeln und Gartenarbeit, Arzneimi t telherstellung und Krankenbesuchen. Und vor dieser Unterbrechung fürchtete ich mich inzwischen am meisten. Mein ehemaliger Lieblingstag schien unter einem bösen Fluch zu stehen, denn besonders am Sonntag zeigte sich an den stetig leerer werdenden Bänken und fehlenden Gesichtern in der Kirche, dass unser Bemühen, das Wüten der Pest einzudämmen, gescheitert war. Trotzdem sollte ich auch erzählen, dass es ein paar neue

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