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Das Pesttuch

Das Pesttuch

Titel: Das Pesttuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: brooks
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zusätzliche Arbeit aufbürden? Obendrein sollte man keinen, der noch gesund genug ist, bitten, fre i willig dem Tod so nahe zu kommen.«
    Und so arbeitete er bis zum sinkenden Tageslicht weiter. Anschließend ließ er den verschiedenen Hä u sern ausrichten, sie könnten ihre Toten zum Begrä b nis bringen. Es war eine armselige Prozession. I n zwischen bemühte sich niemand mehr um Särge; die Familien trugen ihre Lieben einfach so zum Grab. Und wenn sie dazu nicht genug Kraft hatten, schleppten sie die Toten mit einer Decke zum Kirc h hof, die man dem Leichnam unter den Achseln durchzog. Mister Mompellion sprach über jeden das Gebet und half anschließend, die Erde wieder in die Gräber zu häufen. Während er sich noch auf dem Kirchhof abmühte, erreichten ihn die Bitten zweier Familien, er möge sich ihrer Nöte erbarmen. Ich hä t te ihm dies bis zum nächsten Morgen verheimlicht, aber Elinor meinte, das wäre nicht richtig. Als er h e reinkam, brachte sie ihm heißes Wasser zum W a schen und holte ihm frische Wäsche, während ich ein nah r haftes Mahl zubereitete. Er aß rasch, zog dann seinen Mantel an und ritt fort, um sein Wort zu ha l ten.
    »So kann er nicht weitermachen«, sagte ich, wä h rend das Getrappel von Anteros’ Hufen schwächer wurde.
    »Das weiß ich«, erwiderte sie leise. »Sein Körper ist stark, und doch befürchte ich, dass sein Wille weitaus stärker ist. Er kann ihn zu Taten treiben, die kein normaler Mensch fertig bringt. Glaube mir, ich habe es schon gesehen, in guten wie in schlechten Zeiten.«
    In jener Nacht fand der Herr Pfarrer nur wenig Schlaf, und auch der nächste Tag brachte keine R u hepause. Ich ließ daher meinen Stolz fahren und nahm stattdessen meinen ganzen Mut zusammen. Ohne Elinor mein Vorhaben mitzuteilen, machte ich mich auf den Weg zur Hütte meines Vaters. Ich hof f te, der Tag wäre noch jung genug, um ihn nüchtern vorzufinden. Zum Glück blieben Aphra und ihre Kinder gesund, auch wenn die Kleinen wie immer dünn und unterernährt wirkten, denn mein Vater und Aphra hatten mehr Lust, Kinder zu zeugen, als für sie zu sorgen.
    Mir fiel auf, dass ihr Ältester, Steven, einen bösen Striemen auf der Wange hatte. Wie es dazu geko m men war, musste ich nicht fragen. Ich hatte einige von den Kräutern dabei, die wir hergerichtet hatten, und zeigte Aphra, wie sie daraus jenen Saft machen konnte, den sich Elinor und ich ausgedacht hatten. Während unserer Unterhaltung rührte sich mein V a ter, der sich bisher noch nicht von seinem Lager e r hoben hatte. Er stand auf, fluchte über seinen Brummschädel und wollte von mir wissen, ob ich ihm auch einen Trank mitgebracht habe. Da ich heute seine Hilfe wollte und sie wohl kaum bekäme, wenn ich ihn reizte, biss ich mir auf die Zunge und ve r zichtete auf die Bemerkung, dass ein wenig Enthal t samkeit sein Leiden kurieren würde.
    In einem respektvollen Ton, nach dem mir ganz und gar nicht zu Mute war, erklärte ich den traurigen Zustand im Pfarrhaus und beschwor ihn zu helfen, indem ich ihm mit seiner großen Kraft und Tapfe r keit schmeichelte. Wie erwartet meinte er fluchend, er hätte schon mehr als genug Arbeit.
    Außerdem täte es meinem »Faselpfaffen« orden t lich gut, wenn er sich seine weißen Hände dreckig mache. Deshalb bot ich ihm ein erstklassiges Lamm aus meiner Herde für den nächsten Sonntagsbraten an und ein weiteres zu Neumond. Dies war ein gro ß zügiges Angebot. Mein Vater feilschte zwar fluchend weiter und hieb auf den Tisch, dass die Teller kla p perten, aber schließlich einigten wir uns doch. So erkaufte ich Mister Mompellion eine Erholungspa u se vom Kirchhof. Außerdem bekamen die hungrigen Kinder meines Vaters auf diese Weise vielleicht ein Stück Fleisch ab.
     
    Die Wochen dieser kalten Jahreszeit machten aus mir ein Gespenst. Die Weihnachtszeit verging, ohne dass wir es recht merkten. Zu Fastnacht entband ich Kate Talbot von einem gesunden Mädchen. Als ich ihr das Kind in die Arme legte, hoffte ich, es könnte ihre Trauer über den Verlust ihres Mannes mildern. Eine Woche später war ich Hebamme bei Lottie Mowbray , einer armen und einfachen Frau. De n noch brachte sie es fertig, ihr Kind unter so wenig Ja m mern oder Mühen zu gebären, wie es mir bisher nicht untergekommen war. Leute wie Kate Talbot, die von ihres Mannes Hände Arbeit gelebt hatte, oder Lottie und ihr Mann Tom, die schon in guten Zeiten ums Überleben kämpften, wären in diesem Winter ohne Versorgung durch den Grafen

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