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Das Pesttuch

Das Pesttuch

Titel: Das Pesttuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: brooks
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schlafen. Da sah er, wie ein mächtiger brennender Drache einen weißen Streifen über den Himmel zog. Hier bei uns heißt es, ein brennender Drache am Nachthimmel weise auf eine verborgene Bleiader hin. Deshalb wartete George Wickford nicht einmal bis Tagesa n bruch, sondern rannte eilends zu der Stelle, wo seiner Meinung nach der Weg des Drachens übers Moor geführt hatte. Am Morgen ha t te er bereits sein Kreuz zur Markierung seines Schurfs aus dem Torf gest o chen und sieben Stämme für den Göpel geschlagen; nun schnitt er Holzkeile für die Befestigung im B o den zurecht. Seit tausend Jahren, heißt es, ist es rec h tens, dass sich jedermann auf diese Weise einen Schürf abstecken kann, ohne Rücksicht auf den eigentlichen Besitzer dieses La n des. Anschließend hat er neun Wochen Zeit, dem Bergmeister einen Zentner Erz zu zeigen. Und d a nach darf ihm keiner seinen Schürf wegnehmen, s o lange er ihm etwas a b wirft und er der Krone jenen festgelegten Erzanteil bezahlt, der als Königsfron bekannt ist.
    Unermüdlich hatten George Wickford, seine Cleath und ihre drei Kinder auf ihrem Schürf heru m gegraben, den sie »Brennender Drache« nannten. Zuerst hatten sie lediglich mit einer wackeligen He u gabel und einer Pflugschar im Boden herumgewühlt. Obwohl Knappen normalerweise Himmelszeichen ernst nehmen, lachten die Übrigen den jungen Wic k ford aus. In diesem Landstrich deutete nichts auf ein unterirdisches Bleivorkommen hin, und keiner hatte hier je einen Schlag mit der Keilhaue getan. Aber Wickford lachte als Letzter. Er hatte seinen benöti g ten Zentner Blei weit vor den vom Bergmeister ve r langten neun Wochen beisammen – und noch viel mehr. Sein Schürf entpuppte sich als röhrenförmige Ader. Diese können ungewöhnlich ertragreich sein, da es sich um mit Erzen durchzogene Höhlen ha n delt, die ein unterirdischer Strom vor langer Zeit ausgewaschen hat. Weil an der Oberfläche nichts darauf hindeutet, sind sie nur schwer zu finden.
    Seither galt Wickford als Glückspilz.
    Doch dann war die Pest gekommen, und George Wickford w ar unter den ersten Opfern dieser Seuche gewesen. Dann raffte sie seinen Ältesten dahin, einen gut gewachsenen Zwölfjährigen. Cleath und ihre beiden jüngeren Kinder hatten mühsam weiterg e schürft, aber dann war der Junge krank geworden. Die Mutter hatte sich zwischen seiner Pflege und i h ren eigenen schwindenden Kräften aufgerieben und binnen drei Wochen nicht mehr die vorgesehene Erzmenge aus ihrer Grube holen können. David Bu r ton, ein benachbarter Hauer, ergriff die Gelegenheit und hieb die erste Kerbe in ihre Göpelspindel. Im Dorf wurde viel darüber geredet, ob das rechtens oder falsch sei, wobei viele David rügten und mei n ten, dies sei nicht die richtige Zeit für so etwas. A n dere verteidigten ihn mit dem Argument, dass das Bleirecht eben so sei und dass ein Schürf nicht zum ersten Mal wegen eines Missgeschicks auf der Kippe stünde. Mich plagte nur ein Gedanke: Hätten die Dorfbewohner auch so hart geurteilt, wenn die Wic k fords Mitglieder unserer Kirche gewesen wären? J e doch muss ich fairerweise zugeben, dass nicht einmal ich mir meines Standpunktes sicher war. Denn bei Sams Tod hatte auch ich mir nichts anderes als den Verlust unserer Grube erwartet. Und dennoch schien die neue Zeit von uns allen jedes erdenkliche Opfer zu fordern. Warum dann nicht auch diese Tradition opfern?
    Als David Burton am Ende der sechsten Woche seine zweite Kerbe einschlug, gab es noch mehr G e rede. War dies doch zufälligerweise derselbe Tag, an dem Cleath Wickford ihren zweiten Sohn zu Grabe trug. Es hieß, der Schock darüber habe ihren eigenen Tod beschleunigt, denn die Pest raffte sie schneller dahin, als wir es bisher bei irgendeinem erlebt hatten. Morgens begrub sie ihren Sohn und wirkte dabei so gesund, wie jemand bei so einem traurigen Anlass sein kann. Bei Anbruch der Nacht war sie tot. Die Pest hatte dem ganzen Leichnam ihren Stempel in Form von rosigen Ringen aufgedrückt. Damit war nur noch das Mädchen übrig, jenes Kind Merry, de s sen Name inzwischen w ie ein grausamer Scherz wirkte. Obwohl ihre Familie zu den Ärmsten im Ort gehört hatte, war sie ein fröhliches, liebenswertes Kind gewesen. Es tat mir weh mitanzusehen, wie viele Verluste sie ertragen musste. Obendrein blieb sie unter entsetzlichen Umständen zurück, da George Wickford außer seinem Namen nur die Grube bese s sen hatte. Doch er war ein umsichtiger Mann gew e sen. Das Geld aus dem

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