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Das Pesttuch

Das Pesttuch

Titel: Das Pesttuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: brooks
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ihrem e i genen, ruhigen anzupassen. Binnen weniger Auge n blicke war mein Kopf klar, und ich konnte weiterg e hen. So kamen wir zollweise voran. Manchmal g e bückt auf zwei Beinen, dann wieder auf Händen und Knien, wenn sich die Höhle verengte. Und manc h mal robbten wir auch auf dem Bauch dahin, wenn der Felsboden ungemütlich nach unten abfiel.
    Schließlich tauchte im flackernden Unschlittlicht eine Wand mit Schräm - und Ritzspuren auf. Diesen Abbaulinien folgten wir. Sie erzählten die Geschic h te, wie die Familie immer mehr geschrumpft war. Anfänglich war die Oberfläche sauber behauen und ohne jedes Erz. Wo George Wickford seine Spitzh a cke geschwungen hatte, glänzte es im Kerzenschein glatt auf. Im weiteren Verlauf wurden die Hiebe ra u er, flacher und weniger sorgfältig. Hier hatten Cleath und ihr Junge allein weitergemacht. Als Elinor und ich zum letzten Schlag kamen, knieten wir uns n e beneinander nieder, banden unser Gezähe los und fingen Hand in Hand zu arbeiten an. Die Anstre n gung, die Hiebe richtig zu setzen, vertrieb vorde r gründig meine Ängste. Mein ganzes Leben habe ich schwer gearbeitet: Wasser holen, Holz hacken, Heu rechen. Diese Arbeit aber, wo es darum geht, Fels dem Felsen abzuringen, war das Härteste, woran ich je Hand angelegt hatte. Nach einer halben Stunde zitterten meine Arme. Für Elinor musste es noch viel schlimmer gewesen sein. Ich konnte sehen, wie rasch sie unter dieser Belastung ermüdete. Jedem ihrer Hiebe folgten immer längere Pausen. Einmal schlug sie sich mit der Keilhaue auf den Daumen und stieß einen Schrei aus. Ich konnte sehen, wie es blutete und der Nagel sofort schwarz wurde. Sie ließ sich nicht von mir versorgen, sondern schickte mich mit einer Handbewegung wieder an die Arbeit, während sie einen Fetzen um die Wunde wickelte. Dann hieb sie langsam weiter. Ihr schweißnasses Gesicht mit den Schmutzstriemen wirkte steinhart.
    Was mich betraf, so kostete es mich am meisten Mühe, meine Panik im Zaum zu halten. Ich versuc h te, meiner Todesangst dadurch Herr zu werden, i n dem ich mich einzig und allein auf die Arbeit ko n zentrierte und nicht auf die Wände aus glitschiger Dunkelheit, die bei jeder Kerzenbewegung näher oder weiter weg zu rücken schienen. Auch auf die erstickend feuchte Luft, die einen Geschmack hatte, als sei alles Gute längst herausgesaugt worden, ac h tete ich nicht, und auch nicht auf das Gewicht der Erde und der Felsen, die sich in dicken Schichten hoch über mir auftürmten. Jeder Aufprall des Schl ä gels fuhr mir durch die Armknochen bis in die Zähne hinauf. Viele, viele Hiebe waren nötig, bis ich einen kleinen Spalt geöffnet hatte, der zum Ansetzen des Eisens genügte. Kaum saß der Keil fest, musste ich den schweren Hammer heben und mit größtmögl i cher Macht fallen lassen. Auf diese Weise hoffte ich, große Felsbrocken abzusprengen. Aber mein Schlag ging weitaus öfter daneben oder prallte vom Keil ab, sodass das Ding im hohen Bogen aus dem Spalt und hinunter in den kalten Matsch flog, wo ich blindlings danach tasten musste, um dann wieder von vorne a n zufangen. Vom Matsch wurden Keil und Hände gli t schig. Die Kälte machte meine Finger klamm. A n statt mit zunehmender Übung besser zu werden, wurden meine tauben Hände immer fahriger. Stu n den verstrichen. Vor Schmerz und Enttäuschung hä t te ich am liebsten geheult. So sehr wir die Schlägel auch schwangen, das Haufwerk neben uns wuchs nur zentimeterweise.
    Elinor sprach aus, was ich nicht wagte. Trotz aller Bemühungen hatte sie lediglich ein paar klägliche Steinbröckchen g elockert. Sie ging in die Hocke und ließ die Keilhaue schwer neben sich auf den Felsen fallen. »Mit dieser Geschwindigkeit werden wir bis zum Tagesende keinen Zentner fördern.« Dumpf klang ihr Flüstern durch die Höhle.
    »Ich weiß«, sagte ich, wobei ich die tauben Finger beugte und meine schmerzenden Arme rieb. »Was für ein törichter Gedanke, wir könnten an einem ei n zigen Tag Dinge beherrschen lernen, die starke Mä n ner erst nach jahrelanger Übung meistern.«
    »Ich kann dem Kind nicht in die Augen sehen«, sagte Elinor. »Ich kann seinen enttäuschten Blick nicht ertragen.«
    Einen langen Augenblick dachte ich intensiv über meine nächsten Worte nach. Ein Teil von mir war über unseren Misserfolg enttäuscht, ein kleinerer Teil war mächtig froh, dass Elinor kurz davor stand, di e ses erbärmliche Unternehmen abzublasen. Der schlimmste Teil von mir gewann. Wortlos

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