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Das Pesttuch

Das Pesttuch

Titel: Das Pesttuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: brooks
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sammelte ich mein Gezähe ein. Stumm machten wir uns auf den Rückweg durch den Tunnel. Meine Arme waren so müde, dass ich mich kaum an den Sprossen fes t halten konnte. Während ich dankbar die kühle Luft einatmete, redete ich mir ein, dass wir angesichts u n serer Erschöpfung nie und nimmer Erfolg gehabt hä t ten, auch wenn ich Elinor gebeichtet hätte, was ich sonst noch wusste.
    Was mich umwarf, war Merrys Gesicht, ihre hof f nungsvollen Augen, als wir aus dem Tunnel klette r ten. Beim Anblick des kläglichen Hauwerks, das wir gefördert hatten, verschwand jedoch ihr strahlendes Lächeln, ihre Lippen bebten. Und doch weinte sie nicht, sondern zügelte ihr Stimmchen und dankte uns überschwänglich für unsere Bemühungen. Ich schämte mich für meine Feigheit.
    »Es gibt noch einen Weg, das Erz herauszuholen«, platzte ich heraus. »Sam griff ab und zu darauf z u rück, wenn seine Ader unter taubem Gestein ve r schwand. Aber genau dafür hat e r schließlich mit seinem Leben bezahlt.« Nun wandte ich mich an El i nor und erzählte ihr alles, was ich über diese Meth o de gehört hatte: wie man die entgegengesetzten Krä f te von Feuer und Wasser zusammenspannen kann, um die Arbeit vieler Bergleute zu tun.
    Elinor lehnte sich rücklings gegen den Göpel und legte ihre rauen Hände über die Augen. So verharrte sie eine ganze Weile. »Anna, in diesen Tagen hängt unser aller Leben an einem Faden. Wer heute ve r schont wird, den rafft am Ende morgen die Pest d a hin. Ich meine, wir sollten es riskieren und einen Versuch wagen … Aber nur, wenn du willst.«
    Merry wirkte besorgt. Hauerkinder lernen rasch, wovor sich Bergleute fürchten. Und im Zusamme n hang mit Feuer gibt es vieles zu befürchten: Rauc h schwaden können in Verbindung mit der ersticke n den Feuchtigkeit der Höhle unbemerkt die letzte atembare Luft entziehen. Durch Feuersetzen kann verstecktes Wasser frei werden, das wie ein Stur z bach die Grube überflutet. Unter dem Druck können die Knochen und Sehnen der Erde brechen, sodass der darüber liegende Boden einbricht und dich da r unter begräbt, anstatt eine Tonne Blei freizusetzen. Genau das war bei Sam passiert. Jeder Gebrauch von Feuer ist so gefährlich, und seine Auswirkungen so unvorhersehbar, dass er nur dann erlaubt ist, wenn einer die Zustimmung aller Hauer in den benachba r ten Grubenfeldern hat. Da diese einsame Grube aber keine Nachbarn hatte, waren wir auf uns selbst g e stellt.
    Ich sammelte möglichst rasch Hülsezweige. Tr o ckener Zunder war schwieriger zu finden, da es jüngst geregnet hatte. Schließlich rannte Merry den ganzen Weg zu ihrer Hütte zurück, um vom Herd getrocknetes Zündholz zu holen. Nachdem ich in den Schacht zurückgeklettert war, ließ Merry in Lede r eimern kaltes Wasser aus dem Bach herunter. Den ersten verschüttete ich beim Kriechen durch die Hö h le. Bis ich s ie Nachschub holen schickte, verging kostbare Zeit. Beim zweiten Mal gelang es Elinor und mir, die Eimer ans Ziel zu bringen.
    Auf der Suche nach Rissen tastete ich die Fel s oberfläche ab und bearbeitete sie zum Erweitern mit dem Stufeisen. Als ich einen genügend großen Spalt im Fels hatte, zeigte ich Elinor, wie wir in jeden Winkel Hülsezweige stecken und alle so tief wie möglich hineinklopfen mussten. Anschließend ve r teilte ich das trockene Zunderholz zum Anbrennen über die ganze Felswand. »Sie müssen jetzt wieder nach oben«, sagte ich dann zu Elinor. »Wenn wir Erfolg haben, ziehe ich am Seil, um Sie zu holen.«
    »O nein, Anna, ich werde dich hier unten nicht a l lein lassen«, sagte sie.
    Das konnte eine lange Diskussion werden. Um sie in Bewegung zu setzen, brauchte es Gewalt. Deshalb sagte ich scharf: »Elinor! Dafür haben wir jetzt keine Zeit. Haben Sie denn nicht genug Verstand, um zu kapieren, dass Sie mir von draußen mehr helfen kö n nen, wenn das hier schief geht? Besser, Sie graben nach mir, als wenn Sie hier drinnen gemeinsam mit mir umkommen.«
    Selbst in diesem matten Licht konnte ich es in i h ren Augen verräterisch glitzern sehen. Schon stiegen ihr Tränen der Erschöpfung in die Augen. Aber me i ne Worte erfüllten ihren Zweck. Sie ließ den Kopf hängen. »Wie du meinst«, sagte sie und machte sich auf den langen Rückweg. Als ihre schlurfenden Schritte verebbten, blieb mir nur noch Schweigen. Irgendwo tropfte unsichtbar Wasser durch den Stein. Jetzt machte ich mich rasch daran, das Holz anz u zünden, ehe es dafür zu feucht wurde, aber meine Hände mit

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