Das Pestzeichen
Schäfer das sah, versprach er: »Wenn wir zurückkommen, werde ich ihn unter der alten Eiche auf der Rinderkoppel begraben.«
Der Pfarrer war sofort zum Schreiner gegangen und hatte vier Holzkisten in Auftrag gegeben, nachdem Thomas ihm vom schrecklichen Schicksal der Arnolds berichtet hatte. Als das Fuhrwerk am Friedhof ankam, standen die grob gezimmerten Särge bereit. Der Schäfer und der Totengräber betteten jeden Toten in einen Sarg, der mit einer Holzplatte verschlossen wurde. Weinend warf sich Susanna auf den Sarg der kleinen Bärbel, als er zugenagelt wurde. Sie schrie ihren Schmerz so laut hinaus, dass auch der Vater, der vom Kutschbock die Einsargung mit angesehen hatte, in tiefer Trauer aufheulte. Als dann die Särge der Mutter, des Bruders und der Magd vernagelt wurden, hallte das Wehklagen von Vater und Tochter weit über die Mauern des Friedhofs hinaus. Der Schäfer hatte Mühe, Susanna von den Särgen fortzuziehen.
»Komm, mein Kind«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Du musst die Toten gehen lassen.«
Der Totengräber hatte seinen Helfern vor der Fahrt zum Arnoldschen Bauernhof den Auftrag gegeben, vier Gräber auszuheben, in die nun die Holzkisten gesenkt wurden. Der Pfarrer versuchte, Worte des Trostes für die Angehörigen und Freunde zu finden. Doch er wusste, dass Trost angesichts der Gräueltaten unmöglich war, und so murmelte er nur das Vaterunser.
Die Nacht hatte sich mittlerweile über das Köllertal gesenkt. Als einer der Totengräbergesellen eine Laterne anzündete, erschien im Schein des schwachen Lichts der Friedhof unheimlich und ließ die Trauernden erschauern.
Susanna war froh, dass der Pfarrer sich alsbald verabschiedete. Sie wollte mit ihrem Schmerz und den Toten allein sein. Als Thomas sie zum Fuhrwerk führen wollte, bat sie mit heiserer Stimme: »Lass mich noch eine Weile bleiben.«
Der Schäfer nickte und ging zum Totengräber, dem er ein Geldstück in die Hand drückte. »Für die Beerdigung und die Särge. Überlass mir bis morgen das Fuhrwerk, damit ich den Bauern zurück auf den Hof bringen kann.«
Der Mann steckte das Geld ein und gab zu bedenken: »Es wäre besser, wenn ihr im Ort übernachtet. Wer weiß, vielleicht kommen diese Bestien zurück. Ich könnte euch für eine Nacht ein Lager in meiner Hütte anbieten.«
Fragend blickte Thomas den Bauern an, doch der starrte in die Dunkelheit, zu der Stelle, wo sich die Gräber befanden.
Leise seufzend erklärte der Schäfer: »Ich muss zurück, denn meine Herde ist ohne Aufsicht auf der Koppel. Aber der Bauer und seine Tochter könnten hierbleiben.«
»Nein«, sagte Susanna mit eisiger Stimme hinter ihm. »Wir fahren zurück. Niemand vertreibt uns von unserem Hof.«
Kapitel 3
Er hatte die Faust nicht kommen gesehen, die ihn blitzschnell mitten ins Gesicht traf. Der Bursche strauchelte und konnte sich nur mit Mühe auf den Beinen halten. Vor Schmerzen schrie er auf und hielt sich die Hand vors Gesicht. »Bist du verrückt?«, kreischte er. »Du hast mir die Nase gebrochen!«
»Halt’s Maul!«, schrie der Schläger. »Noch ein Wort, und ich schlitze dich auf.« Er fuchtelte drohend mit dem Schwert in der Luft herum, und seine Augen blickten voller Zorn auf den Jungen. Nur mit Mühe konnte er sich beherrschen.
»Beruhige dich, Eckart!«, versuchte ihn ein Mann, der in einen schwarzen Mantel gekleidet war, zu besänftigen. Doch der Schläger hörte die Worte nicht und verpasste dem Burschen einen weiteren Schlag, sodass der zu Boden ging. Wimmernd zog der Junge die Knie an und blieb liegen. Erst jetzt wandte sich Eckart von ihm ab und ging in die kleine, schäbige Holzfällerhütte, die inmitten eines dichten Waldgebietes nahe der Stadt Saarbrücken lag.
Er stieß die Tür auf, die krachend gegen die Holzwand flog, und warf wütend sein Schwert auf den Tisch, dass das Metall schepperte. Er schnappte sich einen Krug mit Bier und trank ihn in einem Zug leer.
Der schwarz gekleidete Mann war ihm gefolgt und musterte ihn nachdenklich. »Ich hörte, ihr seid erfolgreich gewesen. Warum bist du dann so zornig?«, fragte er und schloss die Tür.
»Ich bin nicht besonders zartfühlend, Jeremias«, antwortete Eckart erregt. »Aber das ging zu weit. Es war nicht rechtens!«
Jeremias lachte auf. »Rechtens?«, höhnte er. »Rechtens ist wohl das falsche Wort! Oder waren Folter und der Mord an den Bauersleuten und dem Gesinde etwa rechtens?«
»Das waren Mittel zum Zweck, damit der Alte redete. Wie sonst hätten wir den Ort
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