Das Pestzeichen
Schiffer feststellen, dass dieser angebliche Fachmann von der Salzgewinnung ebenso viel Ahnung hatte wie er vom Brotbacken. Nämlich keine. Der Fremde hatte ihm für viel Geld Erdbohrungen versprochen, mit denen er eine weitere Solequelle erschließen wollte. Da Schiffer die wachsende Konkurrenz der lothringischen Salinen fürchtete, hatte er sofort eingeschlagen, ohne sich über den Mann kundig zu machen. Bei einer dieser Bohrungen durchstieß der selbst ernannte Salzfachmann jedoch eine Grundwasserader, die das salzhaltige Wasser mit Süßwasser verdünnte und es unbrauchbar machte. Als Schiffer den Schaden am nächsten Tag bemerkte, war der Mann mit dem Geld bereits über alle Berge.
»Der Holzpreis ist erneut gestiegen«, verriet Müller leise und riss den Pächter aus seinen Gedanken.
Schiffer nickte. »Ich weiß! Der Graf von Nassau-Saarbrücken will verhindern, dass der Wald, in dem er zur Jagd geht, weiter abgeholzt wird. Verwehren kann er uns das Holz nicht, schließlich gehört ihm die Saline. Aber er kann uns die Arbeit erschweren.«
»Was ist mit den neuen Verträgen, auf die du gehofft hast?«
Schiffer schüttelte den Kopf. »Sie werden das Salz aus den lothringischen Solequellen um Dieuze beziehen.«
»Verdammt«, fluchte Müller. »Das bedeutet das Ende.«
»Ich bin dabei, eine Lösung zu finden, damit es weitergeht«, verriet Eckart dem Mann. »Bis dahin müssen wir mit dem restlichen Holz haushalten und es nicht unnötig verschwenden«, ermahnte er seinen Siedemeister.
»Glaube mir, dass ich nur so viel Holz zum Heizen benutze, wie wir tatsächlich benötigen. Wir nehmen zu Beginn des Siedevorgangs ausschließlich Reisig, und erst später legen wir Klafterholzscheite nach. Aber wir brauchen heftiges Feuer, damit die Sole eingedampft wird. Ist die Temperatur zu niedrig, können die Salzknechte den Schaum der schädlichen Fremdsalze nicht ausreichend abschöpfen …«
»Ist ja gut«, unterbrach Eckart den Siedemeister mürrisch. »Du musst mir nicht den Vorgang des Störens beschreiben. Den kenne ich. Trotzdem spart so viel Holz ein, wie ihr könnt. Jeder Tag, den wir durcharbeiten, zählt! Ich hoffe, dass ich heute bereits eine Lösung finden werde.«
Müller holte tief Luft. »Im Grunde wissen wir beide, dass die Tage der Sulzbacher Saline gezählt sind.«
Da sah Schiffer einen Reiter durchs Tor kommen und ahnte, wer das sein konnte. Er klopfte Müller aufmunternd auf die Schulter und orakelte: »Noch ist nicht aller Tage Abend!«
Kurz vor seinem Haus erkannte Eckart, dass nicht Jeremias, sondern Markus sein Pferd an dem Eisenring in der Hauswand anband.
»Wo ist Jeremias?«, fragte er besorgt, da er annahm, dass etwas schiefgegangen war.
»Bleib ruhig«, höhnte Markus. »Er musste einen kleinen Umweg machen, wird aber sicher schon bald hier sein.«
»Umweg?«, fragte Schiffer.
»Er soll es dir selbst sagen. Hast du ein Bier? Mir klebt die Zunge am Gaumen.«
Schiffer bat den Burschen nur widerwillig ins Haus und gab ihm zu trinken.
»Habt ihr das gefunden, weswegen ihr zum Hof geritten seid?«, wollte Schiffer wissen und vermied es, zu viel Wissbegierde zu zeigen.
Markus setzte sich herausfordernd hinter Schiffers Arbeitstisch auf den Stuhl und legte die Füße auf die Tischplatte. »Was sollten wir deiner Meinung nach finden?«
Schiffer wusste, dass der Bursche ihn ebenso wenig mochte wie er ihn. Er wusste aber auch, dass Markus gefährlich war und vor nichts zurückschreckte. Jeremias hatte ihm verraten, dass Markus während des Krieges unter seinen Söldnerkameraden wegen seiner Unbarmherzigkeit gefürchtet gewesen war.
»Verschwinde von meinem Stuhl«, sagte Schiffer und versuchte, seiner Stimme einen festen Klang zu geben. Wenn ich jetzt nicht klar Stellung beziehe, wird Markus nicht aufhören, mich zu reizen , dachte er und blickte den Burschen mit betont furchtlosem Gesichtsausdruck an. Als Markus nicht sofort aufsprang, stieß Schiffer beherzt die Füße des Burschen von der Tischplatte.
»Hoho«, lachte Markus. »Da scheint einer mutig zu sein. Oder sollte ich lieber ›leichtsinnig‹ sagen?«
»Komm her, du Mistkerl, und ich werde dich grün und blau schlagen!«, forderte Schiffer ihn heraus.
Markus stand auf und kam um den Tisch herum. Als Schiffer nicht zurückwich, schien er zu zögern.
In diesem Augenblick ging die Tür auf, und Jeremias kam herein. Er erkannte sofort die Lage und knurrte: »Was soll das? Kann man euch nicht allein lassen, ohne dass ihr euch
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