Das Pestzeichen
ein weiteres Wort trat Jeremias seinem Pferd in die Seiten und preschte los. Schiffer und Markus folgten ihm.
»Weißt du, wo der Müller wohnt?«, rief Markus Jeremias zu.
»Eine Mühle steht immer am Wasser. Wir müssen nur dem Bachlauf folgen.«
»Warum hast du ihnen von dem Mädchen erzählt? Hast du die Flinten gesehen? Die drei Gestalten sahen nicht aus, als ob sie Erbarmen mit jemandem hätten«, schnauzte der Bauer seine Frau an.
Die wandte sich ihrem Mann zu und hob die Münze in die Höhe. »Deshalb!«, erklärte sie und steckte sich das Geld zwischen die Brüste.
–·–
Susanna spürte Hitze in sich aufsteigen. Ihre Wangen färbten sich puterrot, sodass sie die Hände vors Gesicht schlug. Drei Männer blickten sie neugierig an, und sie schämte sich fast zu Tode.
»Wie kannst du es wagen, mir solch eine Frage zu stellen?«, fragte sie erregt zwischen den Fingern hindurch.
Karls Lippen hielten den Pfeifenstiel fest, während er nuschelte: »Mir ist es einerlei. Nur für die Schatzsuche ist es wichtig.«
Langsam zog Susanna ihre Hände vom Gesicht weg und blickte den Schnapsbrenner ungläubig an. Ihr Blick wanderte zu den beiden Brüdern, die sie aufmerksam betrachteten.
»Was hat das zu bedeuten?«, fragte sie die beiden entgeistert.
»Spann uns nicht auf die Folter, Karl, und erkläre dem Mädchen, was es wissen muss«, mahnte der Bauer.
Karl nickte und zog mehrmals an der Pfeife, dann setzte er sich auf einen Schemel und erklärte: »Ich habe schon von dem Schatz munkeln hören, der in der Nähe von Gersweiler vergraben sein soll. Allerdings wusste niemand die genaue Stelle. Dank dieses Plans …« Er schwieg plötzlich und besah sich die Karte genauer, drehte und wendete sie und schüttelte ungläubig den Kopf. Gedankenverloren murmelte er: »Aschbach, Aschbach … Was sagt mir dieser Name?« Dann rief er aufgeregt: »Die Kirche in Aschbach! Das Kreuz kennzeichnet die Kirche nahe Aschbach, die seit geraumer Zeit als Lazarett dient.«
»Langsam kommen wir der Sache näher«, unterbrach ihn der Oheim und genehmigte sich einen Schluck aus dem Becher.
Karl zögerte fortzufahren und sog an seiner Pfeife, doch dann erklärte er: »Ich wusste, dass mir der Name bekannt vorkommt. Die Kirche bei Aschbach ist kein gewöhnliches Lazarett, sondern ein Lager für Pestkranke. Sie kommen aus Saarbrücken und Umgebung und werden dort auch beerdigt.«
»Verdammt«, fluchte der Oheim.
»Du sollst nicht fluchen«, ermahnte ihn sein Bruder.
»Soll ich bei dieser Nachricht frohlocken? Mich bringt niemand auch nur in die Nähe des Seuchenhauses«, erklärte er grimmig und kippte sich von dem Klaren in den Becher, den er in einem Zug leerte, sodass es ihn schüttelte.
»Wie kann man aus einem heiligen Ort ein Siechenhaus machen?«, fragte der Bauer ungläubig.
»Soviel ich weiß, war die Kirche eine Wüstung: ein Ort, den man aufgegeben hatte, weil das Gotteshaus abgelegen in einem Waldstück steht und der Weg dorthin für die Menschen aus der Umgebung zu beschwerlich war.«
»Wem gehört denn nun der Schatz?«, warf Susanna ein, die nicht wusste, ob sie der Erklärung Glauben schenken sollte.
Karl stand auf, klopfte seine Pfeife aus und legte sie in die Schublade des kleinen Tischchens, auf dem mehrere Krüge standen. Mit nachdenklichem Gesicht wandte er sich seinen Besuchern zu und erklärte: »Die Legende erzählt, dass ein Mönch, der durch die christliche Erneuerung aus seinem Kloster vertrieben wurde, auf der Flucht sein Vermögen nahe der Kirche von Aschbach vergraben haben soll.«
»Es sind mehr als hundert Jahre vergangen, dass die Kirche erneuert wurde«, überlegte der Bauer. »Woher willst du wissen, dass man den Schatz nicht schon vor der Pestilenz geborgen hat?«
»Weil er immer wieder gesehen wird.«
»Man kann den Schatz sehen?«
Der Schnapsbrenner nickte und erklärte mit geheimnisvoller Stimme: »Schätze können sich aus eigener Kraft bewegen und kommen gelegentlich an die Erdoberfläche, um sich zu sonnen.«
Mit ungläubigem Blick und offenem Mund starrte Susanna den Mann an. »Da muss der Teufel seine Finger im Spiel haben«, murmelte das Mädchen mit kreidebleichem Gesicht, doch Karl schüttelte den Kopf.
»Dummes Zeugs! Erst vor kurzem soll eine alte Frau einen Schatz ausgegraben haben, den sie im Sonnenlicht gesehen hat. Schätze fliehen nicht vor dem Teufel, sondern vor den Schatzgräbern wie Wild vor Jägern«, behauptete er mit ernstem Gesicht. »Unterläuft den Suchern
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